Stimmwunder aus Großbritannien: Raye verströmt Glamour und ist schlicht umwerfend. © Fabian Stoffers
Star des Abends: Post Malone im Holzfällerlook. © M. Hangen
Die Fans drängen in den Innenraum des Stadions, das bald saniert wird. © Martin Hangen
Wie bunte Blitze zucken die Scheinwerfer vor den düsteren Wolken, die am Samstagnachmittag unheilvoll über München hängen. Auf der Bühne legt James Hype auf und vertreibt mit House den letzten Hauch von Countryrock aus dem Olympiastadion, den Jelly Roll hinterlassen hat. Von Rock zu Rave zu Italo-Schlager zu Metal zu Pop zu Jazz zu Rock: Die Genresprünge sind hart und schnell beim Superbloom-Festival. Wie die Beats, die zum Wechsel von Sonnenschein und drohendem Weltuntergang aus den Boxen dröhnen.
Vierte Auflage mit spannenden Gästen
Zum Weltuntergang kommt es freilich nicht. Auch wenn das Olympiastadion an diesem Wochenende mit der großen Doppelbühne Olympic Stage/Super Stage zum vorerst letzten Mal die Kulisse für große Konzerte sein wird. Bevor ab Oktober die Sanierung beginnt, geben sich noch einmal große Künstler die Ehre.
Und während nebenan noch der Rave tobt und der britische DJ die Massen zum Springen animiert, bereitet die Crew die Olympic Stage für Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys. Ob die Fans, die in Scharen in den Innenraum drängen, angesichts einer kleinen Regenzelle nicht auf den Rängen einen Platz suchen wollen? Von einem Zeltdach überm Kopf lassen sich die Schlager-Enthusiasten nicht locken. Schon beim ersten Lied, das die Augsburger anspielen, tun sich die Schlager-Strudel auf. Und auch der Himmel, zumindest kurz: Sprühregen begleitet den Auftritt von Roy & Co. Wen interessiert schon das bisserl Regen, wenn „Bella Napoli“ aus tausenden Kehlen erklingt?
Die vierte Auflage des bunten Festivals wartet mit einem spannenden Line-up auf: Auf Auftritte von Esther Graf, Cat Burns und $oho Bani folgt bluesgeschwängerter Countryrock von Jelly Roll, der eine Prise Nashville nach München mitgebracht hat. Was der Sänger und Rapper mit seiner Band darbietet, ist erstklassig. Und hätte noch mehr Zuhörer verdient.
Kernidee des Superbloom ist ja, dass es nicht nur um Musik geht. Sondern auch um Kunst, um Politik, um Wissenschaft. Das Festival tritt seit der ersten Auflage mit einem vielfältigen und auch familienfreundlichen Programm an. Wer mit einem Künstler partout nichts anfangen kann, findet im Olympiapark Spannendes, Überraschendes oder einfach nur ein Platzerl zum Ausruhen.
Für Ruhe ist das Stadion auf jeden Fall der falsche Ort. Wem Italo-Schlager und Amore zu kitschig sind, bekommt postwendend das Kontrastprogramm präsentiert. Alligatoah, ohnehin ein Genrewandler, der sich aktuell bevorzugt im Metal herumtreibt, zertrümmert fröhlich grollend das Büromobiliar. Ein letztes Mal traktiere er dieses Bühnenbild, behauptet der Sänger und Rapper. Er gönnt sich ein paar Extraminuten und einen ausgiebigen Abschied von dem Trümmerfeld, das er hinterlässt. Dann öffnet Nelly Furtado auf der Olympic Stage die Pforte zu den 2000ern. Die Hits der Kanadierin mit portugiesischen Wurzeln klingen frisch aufpoliert. Furtado tut sich aber immer mal wieder ein wenig schwer mit Ton und Stimme. Was das Publikum nicht davon abhält, ihren Auftritt jubelnd zu feiern.
Ein Blick auf die Super Stage deutet den nächsten Genresprung an. Raye tritt mit großer Showband an und strahlt von Kopf bis Fuß altes Hollywood aus: Das Stimmwunder aus Großbritannien steht barfuß im funkelnden Abendkleid auf der Bühne. Und bezaubert nicht nur mit beeindruckenden Tonfolgen. Sie ist schlicht umwerfend. Wenn sie die Fans bittet, sich an einer Sequenz für ihr nächstes Musikvideo zu beteiligen. Wenn sie sich nach ihrem großartigen Auftritt überschwänglich bedankt.
Von schlechtem Wetter ist längst keine Spur mehr, als der unbestrittene Star des Abends mit schlurfenden Schritten die Bühne betritt. Post Malone startet mit technischen Problemen. Das hält den Headliner im Holzfällerhemd nicht davon ab, sich eine Zigarette anzuzünden und seine Reibeisenstimme schmirgeln zu lassen.
„Posty“ sieht immer ein wenig so aus, als leide er Schmerzen, wenn er seine Lieder vorträgt. Er versinkt augenscheinlich in der Verzweiflung und Frustration, von denen einige seiner Songs handeln. Wenn er dann aber wie ein Lausbub grinst, das Publikum mit Bier versorgt und ergriffen ist von der Begeisterung für seine Musik, zeigt sich, wie wohl er sich auf dieser Festivalbühne fühlt. Auf der er den ersten Festivaltag unter tosendem Applaus beschließt.KATHRIN BRACK