Stoffe als Vorhang für den Thoraschrein überreichte Ariel Aloni Rachel Salamander. © Schlaf
Kurz vor der Eröffnung: ein Blick in die Synagoge an der Reichenbachstraße. © Thomas Dashuber / epd (2)
Von der „Reichenbachschul“ zu einem der „hippsten Orte der Stadt“: In München wird die Bauhaus-Synagoge an der Reichenbachstraße wiedereröffnet – in neuem Gewand und alter Pracht. Zur Feier am 15. September wird auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) erwartet.
Man muss sie ein bisschen suchen. An der Reichenbachstraße im Gärtnerplatzviertel, neben stolzen Gründerzeitfassaden, steht ein schlichtes Bürogebäude. Dessen Hinterhof beherbergt jenes architektonische Juwel, in dem jüdisches Leben nun neu sprießen soll: Die frühere Hauptsynagoge wird nach jahrelanger Restauration neu eröffnet. Dass dieses Ereignis überhaupt stattfindet, ist vor allem Rachel Salamander zu verdanken. Die Literaturwissenschaftlerin gründete 2013 den Verein „Synagoge Reichenbachstraße“, um das Gebäude – eine der wenigen Bauhaus-Synagogen weltweit – vor dem Verfall zu retten. „Was für eine Energie!“, sagen Leute bewundernd über die bekannte Publizistin, die dieses Großprojekt durchgezogen hat.
Was Salamander bei der Stange hielt, war die Vision, wie die Synagoge innen künftig aussehen sollte: wieder in jener „Farbmagie“, in der Architekt Gustav Meyerstein (1889-1975) sie 1931 erstrahlen ließ. Im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ setzte er auf klare Linien und funktionale Formen. Die Synagoge war minimalistisch und modern, „zurückhaltend und schlicht“, sagt Salamander, doch ihre Innengestaltung „muss ein wahrer Farbenrausch gewesen sein“. Die Zeitung „Das Jüdische Echo“ schreibt 1931 von der „beherrschenden Lichtführung“ und „in wirksamen zarten Farben gehaltenen Glasfenstern“. So wird es nun wieder: die Wände in Blautönen, die Ostnische sandgelb, die Emporen cremeweiß, die Fenster originalgetreu gestaltet und die Decke aus halbtransparenten Glasfeldern – so versprechen es erste Bilder und die Simulation der Münchner Architekten „Hilmer & Sattler und Albrecht“.
Nach 1900 hatten sich viele ostjüdische Familien im Viertel niedergelassen. Ihr Betsaal wich 1931 Meyersteins Synagogenbau. Die „Reichenbachschul“ (vom jiddischen Wort „Schul“ für „Synagoge“) war laut dem Jüdischen Museum neben der liberal-konservativen Synagoge an der Herzog-Max-Straße und der orthodoxen Synagoge an der Herzog-Rudolf-Straße einer von drei großen Synagogenbauten der Stadt und der letzte neu errichtete Sakralbau Münchens vor 1933.
1938, in der Reichspogromnacht, verwüsten die Nationalsozialisten das Gotteshaus schwer. Nur wegen der dichten Nachbarbebauung brennen sie es nicht nieder. Nach dem Krieg wird die Synagoge notdürftig instand gesetzt. Ab 1947 dient sie den in München verbliebenen Mitgliedern der frisch gegründeten orthodoxen Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) wieder als Hauptsynagoge und wird zum Zentrum jüdisch-religiösen Lebens.
Immer wieder wird das Haus repariert, aber nie saniert. 2006 eröffnet mit „Ohel Jakob“, vorangetrieben von Charlotte Knobloch, am St.-Jakobs-Platz die neue Hauptsynagoge der IKG. Die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom hat ihre eigene Synagoge. Das Gebäude an der Reichenbachstraße gerät in Vergessenheit. Als sie das verfallene Gotteshaus gesehen habe, sagt Salamander, habe ihr das „einen Stich“ versetzt. Sie gründet mit dem Anwalt Ron C. Jakubowicz den Verein mit dem Ziel, die Synagoge wieder in den Originalzustand zu bringen. Von den 12,6 Millionen Euro Baukosten tragen die Stadt München, der Freistaat Bayern und der Bund je 30 Prozent, die übrigen zehn Prozent bringt der Verein durch private Spenden auf.
Ab 2021 wird das Haus entkernt, Dach, Fundament und Gebäudetechnik werden erneuert, dann beginnen die Innenarbeiten. Beim Richtfest 2024 wird die neue Lichtinstallation eingeweiht, die im Boden eingelassen ist und die Eckdaten der Synagoge anzeigt. Im Frühjahr 2025 erhält der Synagogenverein ein besonderes Schmuckstück: originale Bauhaus-Stoffe, handgewebt von der jüdischen Künstlerin Gunta Stölzl (1897-1983) aus München, geschenkt von ihrem Enkel Ariel Aloni aus den USA.
Künftig soll die Synagoge ein ritusfähiges Gotteshaus bleiben. Sie will aber auch ein Ort für die Öffentlichkeit sein: für Schulklassen, mit Vorträgen, Führungen durchs Viertel, Konzerten. Als kunsthistorisch bedeutsames Baudenkmal soll sie den Bürgern zurückgegeben und zum kulturellen Hotspot werden – laut Salamander zu einem der „hippsten Orte der Stadt“.
Ob der Verein die Synagoge weiter betreibt oder ob die IKG sie übernimmt, ist noch offen. Auch am Sicherheitskonzept wird noch gearbeitet. Jedenfalls wird sie geschützt werden müssen wie alle Synagogen in Deutschland, inklusive Polizeipräsenz. Trotz der Lage im Hinterhof.CHRISTINE ULRICH