Sinnliches, lustvolles Barockspektakel mit Max Emanuel Cencic (3.v.li.), der im Markgräflichen Opernhaus als Intendant, Regisseur, Dramaturg und Hauptdarsteller aktiv ist. © Clemens Manser
Es muss nicht immer Händel sein! Selbst wenn einem die Spielpläne der Bayerischen Staatstheater anderes suggerieren, wo der Sachse die neue Spielzeit ähnlich dominiert wie die vergangene. Umso mehr lohnt sich ein Abstecher zu Bayreuth Baroque. Im Markgräflichen Opernhaus gilt die Ausgrabung des Festspiel-Sommers diesmal Francesco Cavallis „Pompeo Magno“. Einer vor musikalischen Ideen nur so berstenden Karnevals-Oper, für die sich Dirigent Leonardo García-Alarcón ähnlich leidenschaftlich einsetzt wie Bayreuths amtierender Sonnenkönig Max Emanuel Cencic.
Logen und Graben werden mit bespielt
In Personalunion als Intendant, Regisseur, Dramaturg und Hauptdarsteller weiß der barockerfahrene Countertenor um die Magie des Ortes und versteht es, auch das Theater selbst effektvoll in Szene zu setzen. Und dies, indem er Logen, Orchestergraben und den prunkvoll verzierten Zuschauerraum gleich mit bespielt und das Publikum noch mehr ins barocke Lebensgefühl hineinzieht. Cencic verortet seine Inszenierung optisch in der Entstehungszeit der Oper und macht den alternden Kriegshelden Pompeo zum venezianischen Dogen, in dessen Palast sich die an Verkleidungen, Verwechslungen und Verwirrungen überquellende Geschichte nun abspielt.
Dass man angesichts der zahlreichen Nebenhandlungen schon mal den Überblick verliert, fällt nicht ins Gewicht. Denn was einem in Bayreuth geboten wird, ist ein durch und durch sinnliches Barock-Spektakel, bei dem tatsächlich jeder Cent des Budgets auf der Bühne zu sehen und zu hören ist. Mit Wein, Weib, Tanz und Gesang. Aber eben auch mit dem manchmal etwas derberen Humor von 1666, der wahrscheinlich am besten durch die historische Brille betrachtet werden sollte und nicht an den politisch überkorrekten Maßstäben von 2025 gelesen werden darf. Die von Helmut Stürmer und Corina Gramosteanu farbenfroh ausgestattete Produktion bedient sich dafür immer wieder lustvoll und mit viel Liebe zum Detail bei den Versatzstücken der Commedia dell’Arte, deren Stereotypen vom spielfreudigen Ensemble mit der nötigen Überdrehtheit verkörpert werden.
Auf der langen Besetzungsliste einzelne Leistungen hervorzuheben, fällt schwer. Jede noch so kleine Rolle trägt zum Gelingen des Abends bei. Wenn es aber doch Namen sein müssen, haben sich unter anderem Dominique Visse und Marcel Beekman besonderes Lob verdient. Sie bilden ein grandios komisches altes Pärchen, das die Bühne zwischen großen dramatischen Momenten aufmischt. Der eine als in Sopranlage singender Mann, der andere als höhensicherer Tenor in Frauenkleidern. Im Schlagabtausch der beiden werden nicht nur Geschlechterrollen aufs Korn genommen, sondern wie schon im Text angelegt auch kleine Meta-Kommentare übers barocke Musiktheater oder das Schicksal der Kastraten eingeflochten.
Ein ironisches Augenzwinkern, das Leonardo García-Alarcón mit den Originalklang-Profis seiner Cappella Mediterranea ebenfalls perfekt beherrscht. Die temperamentvoll aufspielende Truppe gibt im Graben vom ersten Moment an ordentlich Gas, womit sie Cavallis vorwärtsdrängender und stets tanzbarer Musik neues Leben einhaucht. Da darf es zwischendurch ruhig ein wenig knarzen. Denn ein paar „dreckige“ Noten gehören bei dieser oft in Richtung Barock-Jazz tendierenden Interpretation durchaus dazu und machen dem Publikum hörbar Spaß. Natürlich ist auch diese Bayreuther Barock-Premiere wieder ein Stimmenfest. Angefangen bei den Sopranistinnen Mariana Flores und Sophie Junker, die sich mit ihren virtuosen Verzierungen gegenseitig überbieten. Bis hin zu gleich drei Generationen von Countertenören, wobei neben Urgestein Dominique Visse und dem Hausherren Max Emanuel Cencic vor allem die junge Garde mächtig abräumt. Neben Alois Mühlbacher in seiner Doppelrolle als Farnace und geflügelter Amor wird besonders Nicolò Balducci gefeiert, der als Sesto eine atemberaubende Leistung abliefert. Mit solchem Nachwuchs muss man sich um die Zukunft des Festivals definitiv keine großen Gedanken machen. Und was die nächste Ausgrabung betrifft, haben Dirigent und Intendant eine lange Wunschliste.TOBIAS HELL
Weitere Vorstellungen
an diesem Samstag sowie 9.,
12. und 14. September;
Informationen zum weiteren Programm und zum Verkauf unter bayreuthbaroque.de.