Meister der Manipulation

von Redaktion

Das Filmmuseum beleuchtet Orson Welles und Frank Capra

Eine Zeitungskampagne hievt in Frank Capras „Hier ist John Doe“ einen Habenichts ins Rampenlicht. © Warner Bros.

Der Aufstieg des Medienmoguls: Orson Welles „Citizen Kane“ gilt als einer der besten Filme aller Zeiten. Das Filmmuseum München zeigt Welles’ Werke. © Filmmuseum München

Der eine portraitierte 1941 einen megalomanen Medienmogul, der seine Meinungsmacht für die eigene Polit-Karriere nutzt. Der andere erzählte 1941 ein Drama um einen Arbeitslosen, der von einer skrupellosen Zeitungsredaktion zur Ikone einer populistisch-faschistischen Präsidentschaftskampagne gemacht wird.

Heute erwacht das Filmmuseum München aus dem Sommerschlaf. Und es ist eher Zufall, dass sich in der neuen Spielzeit „Citizen Kane“ und „Hier ist John Doe“ die Hand reichen. Aber es zeigt: Die Werkschauen zu Orson Welles und Frank Capra könnten aktueller kaum sein.

Eine spannende Kombi: Welles, das Wunderkind aus Kenosha, Wisconsin. Das mit Theaterprojekten wie einem afro-amerikanischen „Macbeth“ Aufsehen erregte. Als Radiostimme berühmt wurde. Mit seinem pseudo-dokumentarischen „Krieg der Welten“-Hörspiel die USA in Panik versetzte. Und mit Mitte 20 von Hollywood volle Freiheit versprochen bekam. Die er in seinem Debüt „Citizen Kane“ für technische Innovationen und eine Entlarvung der damaligen Vorläufer von Rupert Murdoch nutzte.

Dagegen Capra, als Kind mit den Eltern aus Sizilien eingewandert. Der sich hochmogelte und -arbeitete – vom Gagschreiber zum Regisseur, dessen Namen im Vorspann über dem Titel prangte. Der einen klassischen, unaufdringlichen Stil pflegte und den amerikanischen Traum zelebrierte.

Manipulation und das Trügerische alles Medialen blieben Dauerthema bei dem Hobbymagier Welles – dessen letzter vollendeter Film „F for Fake – F wie Fälschung“ heißt. Doch auch Capra war nie naiv. Seine Filme wie „Mr. Smith geht nach Washington“ sind Utopien, weil sie sich am Ende die Hoffnung gönnen. Ihr Ausgangspunkt aber ist die Krise, die Bedrohung von Demokratie, Menschlichkeit.

Welles wie Capra wurden von Hollywood enttäuscht. Der junge Rebell überwarf sich bald mit dem Studiosystem. Fand seine künstlerische Heimat eher in Europa. Wo er nicht zuletzt seiner ewigen Liebe zu Shakespeare frönte. Capra, nach großem filmischem Kriegseinsatz, haderte mit McCarthys Kommunistenhatz, fühlte sich in den Sechzigern zum alten Eisen geworfen. Zog sich zurück.

Beide werden heute gern auf wenige Werke reduziert: Welles auf „Citizen Kane“, seinen Auftritt in Carol Reeds „Der dritte Mann“. Capra auf seine Filme mit James Stewart als US-Jedermann, insbesondere „Ist das Leben nicht schön?“ – einst ein Flop, heute Kult-Klassiker. Dabei lohnt sich Neugier auf den Rest der Œuvres sehr! Wo etwa Capras atemberaubend homoerotischer U-Boot-Film „Submarine“ (1929) zu entdecken ist, oder Welles Kleinstadt-Paranoia-Thriller „Die Spur des Fremden“ (1946).

Welles-Werkschauen sind freilich keine Seltenheit im Filmmuseum. Denn seit 1995 hütet man hier den Großteil des filmischen Nachlasses. Zum Stand der Ausgrabungs- und Rekonstruktionsarbeit in dem Bergwerk von Fragmenten gibt‘s diesmal einen Seitenblick auf die Mythologisierung von Welles in Spielfilmen wie David Finchers „Mank“ oder Tim Burtons „Ed Wood“.

Parallel zu Welles und Capra geht es nach Japan – zum Meister Shinji Sômai. Ab Ende Oktober werden Filme der Perestroika gezeigt. Und im Dezember lockt ein Italiener, der im alten Europa blieb: Luchino Visconti.THOMAS WILLMANN

Das gesamte Programm

und Karten gibt es unter www.muenchner-
stadtmuseum.de/film.

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