Er lässt die Pixel leuchten

von Redaktion

Die Kunsthalle zeigt Miguel Chevaliers digitale Meisterwerke

Videoinstallationen wie diese reagieren auf die Bewegungen der Besucher. © Astrid Schmidhuber

Fröhlich Grenzen sprengen: Miguel Chevalier ist Pionier der digitalen Kunst. © Astrid Schmidhuber

Wenn man diesen Mann trifft, sind alle Ängste dahin. Vor Künstlicher Intelligenz, vor Maschinen, die uns überflügeln, dazu bringen, unser Hirn immer weniger zu nutzen – und auf diese Weise jede Kreativität und Innovationskraft zu verlieren. Miguel Chevalier ist der lebende Beweis dafür, dass das Gegenteil der Fall sein kann. Mit seinen wachen Augen und der Art, wie er von seiner Kunst erzählt, macht er Lust auf alles Neue. Darauf, sich auf Unbekanntes einzulassen und technische Entwicklungen nicht von vorneherein zu verteufeln. Wie ein großes Kind läuft er durch die Ausstellung „Digital by Nature“ in der Kunsthalle München. Es ist die größte Einzelschau des franco-mexikanischen Künstlers in Europa. Und gerade diejenigen sollten sie sich dringend anschauen, die mit digitaler Kunst bisher so gar nichts anfangen konnten.

Es probieren sich gerade etliche Künstlerinnen und Künstler im virtuellen Bereich. So richtig überzeugend ist das meist noch nicht. Ein Graus auch die vielen immersiven Ausstellungen, die Geld damit machen, letztlich nicht mehr zu tun, als Bilder verstorbener Giganten wie Van Gogh oder Klimt in Videoinstallationen von allen Seiten um die Besucher herumwirbeln zu lassen. Miguel Chevalier bedient nicht voller Kalkül diesen Hype ums Digitale. Er ist ein Pionier: Seit den Achtzigern experimentiert er mit dem Computer als kreativem Ausdrucksmittel.

Sein erster Pinsel hieß Amiga 1000. Ein Personal Computer, wie er jetzt auch in der Ausstellung zu sehen ist. Wer hatte so etwas schon daheim in den Achtzigern? Und wer fing damals noch dazu an, damit Kunst zu kreieren? Spannende Fragen ploppen auf, wenn man die künstlerische Entwicklung des heute 66-Jährigen Raum für Raum nachvollzieht. Wie entsteht Kreativität? Wie viel Poesie steckt in Mathematik? Und ist natürlich immer besser als künstlich geschaffen?

Denn dieser Irrglaube liegt ja meist hinter jeder Abneigung von Künstlicher Intelligenz (KI): dass die Maschinen per se gefährlich, kalt und böse sind; der Mensch aber gut. Wo beginnt und wo endet das Menschliche? Und wo existiert überhaupt noch reine Natur? Wenn man Chevalier fragt, was er von KI hält, wird sein Lächeln, das er im freundlichen Gesicht trägt, noch ein bisschen breiter. „KI ist ein weiteres tolles Werkzeug, um sich kreativ auszutoben.“

Und wenn man dann mit ihm den Roboterarm betrachtet, den er mit seinem Team in sechsmonatiger Arbeit so programmierte, dass er eigenständig Bilder malen kann, und man den Künstler fragt, ob ihm das nicht auch ein bisschen Angst mache – dass solche Kunstwerke-schaffenden Maschinen die Kunst der Menschen verdrängen könnten –, dann antwortet er gelassen: „Die gesamte Kunstgeschichte ist eine der Weiterentwicklung. Als die Fotografie aufkam, bestand auch die Sorge, dass nun kein Mensch mehr malen würde. Heute hat jeder im Handy immer eine Kamera dabei – aber heißt das, dass die Fotokunst obsolet wird? Ja, jeder hat eine Kamera, aber nicht jeder hat das Auge fürs perfekte Bild.“ Oder die Videokunst: Bisher konnte man sie nur anschauen – und heute selbst Teil davon werden. Tatsächlich sind Chevaliers Videoinstallationen welche, die das Wort „immersiv“ wirklich verdienen: Bilder und Töne reagieren auf die Bewegungen der Besucher.

Am Ende der Schau steht ein Gewächshaus. Noch ist es leer. Doch an Computern können Gäste Blumen kreieren. So erblüht nach und nach ein digitaler Garten. So spannend, schön und sinnlich kann Grenzensprengen sein.KATJA KRAFT

Bis 1. März 2026

täglich 10 bis 20 Uhr.

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