Lahav Shani dirigierte Schubert und Wagner. © Tobias Hase
Der Vorvorvorgänger pflegt zu sagen: Er beurteile Kollegen nicht nach Werken des 20. oder 21. Jahrhunderts, sondern nach den ersten zehn Takten von Beethovens „Egmont“-Ouvertüre. Kniffliger Hit schlägt für Christian Thielemann also Extremrepertoire, hinter dem man sich (das Publikum kennt‘s ja weniger) auch gut verstecken kann. Von daher gesehen und gehört war das Konzert die Nagelprobe für Lahav Shani, dem designierten Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker. Schuberts „Unvollendete“ plus Vorspiel und Liebestod aus Wagners „Tristan und Isolde“ – Konkurrenz und Tradition sind erdrückend.
Umso erfreulicher: Shani „wollte“ nichts mit den Hits und ihnen eine extrem personalisierte Deutung abringen. Er ist auch keiner, der es sich lustvoll in den Partituren einrichtet, dabei mehr von sich als von den Werken erzählt. Die Tempi sind zügig, ein organischer Puls durchzieht Wagner und Schubert. Die Brüche und Abgründe in Schuberts h-Moll-Symphonie werden zwar abgebildet, doch nicht ausgereizt, dazu ist Shani zu sehr Ästhet. Duftig darf sich das lyrische Thema im Kopfsatz entfalten. Nichts ist zu erdenschwer oder ertrinkt in Melancholie. Die philharmonischen Bläser (ausgeruht nach den Ferien?) bescheren Zaubermomente. Die Mixturen sind fast perfekt abgeschmeckt, purer Klangluxus erfüllt die Isarphilharmonie. Auch bei Wagner darf sich ganz natürlich eins aus dem anderen entwickeln. Draufsicht und Analyse halten sich die Waage. Nichts Demonstratives hat diese Interpretation, alle Details und Verläufe sind trotzdem präsent.
Kein Spektakel zum Saisonstart ist dieses Konzert, auch nicht vor der Pause. Sol Gabetta spielt Edward Elgars Cello-Konzert mit so lichter wie intensiver Sonorität. Immer wieder sucht sie das Leise, Intime, den kammermusikalischen Gestus auch im großen Tutti. Vor dem Konzert erzählte Neu-Intendant Florian Wiegand von seiner langen Verbindung zum Orchester, bei dem er einst als Praktikant arbeitete und zu dem er nun zurückkehren dürfe. Für die Philharmoniker war der Abend die Ouvertüre zu einer Europatournee mit Finale im Wiener Musikverein. Den Verfeinerungszustand bei Schubert und Wagner würde man dann gern erleben.MARKUS THIEL