KOMMENTAR

Rückkehr zur Gesinnungsprüfung

von Redaktion

Ausladung von Lahav Shani

Wer will künftig mit den Festspielen in Flandern überhaupt noch in Verbindung gebracht werden? Mit dieser Entscheidung hat das Festival die Ebene des (auch notwendigen) politischen Diskurses verlassen – und ist angekommen bei der undemokratischen Gesinnungsprüfung. Zumal auch nicht bekannt ist, ob sich die Verantwortlichen in Belgien regelmäßig bei Künstlerinnen und Künstlern aus den USA erkundigen, wie sie es denn mit Donald Trump halten.

Die absurd begründete Absage offenbart vieles. Ein illiberales Kulturverständnis, das Auftritte nur mit einer wie auch immer gearteten, von den Verantwortlichen definierten „weißen Weste“ zulässt. Ein peinliches Selbstverständnis von Kulturmanagern, die vor Widerrede und möglichen Demonstrationen einknicken, anstatt die kontroverse Debatte zu suchen. Offenbart wird zudem eine Verkennung dessen, wofür der Dirigent Lahav Shani steht – übrigens auch für einen durchdachten, wohlüberlegten, nie trompetenhaften Meinungsaustausch. Die Absage zeigt aber vor allem eine fatale Vermischung von Kultur und Politik, wie sie sich gerade immer stärker breitmacht.

Die heftige Empörung über die Konzert-Absage ist nur zu verständlich und berechtigt. Auch, dass dies als Beispiel für grassierenden Antisemitismus begriffen wird. Die mehr als anfechtbare Politik der israelischen Regierung nehmen viele als Vorwand für ihren Judenhass. Allerdings: Lahav Shani wurde nicht ausgeladen, weil er einer Glaubensrichtung angehört, sondern weil er sich angeblich politisch nicht korrekt verhält. Je häufiger mit Begriffen wie Antisemitismus argumentiert wird, desto mehr droht ihnen auch die Entwertung.

Denn das ist der eigentliche Skandal dieses Falles: dass von Künstlerinnen und Künstlern wieder Bekenntnisse verlangt werden. Dass sie sich in den Dienst einer Haltung zu stellen haben. Und dass der Schritt zur Propaganda plötzlich wieder sehr klein geworden ist.

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