Szene aus „Achtsam Morden“: Miguel Abrantes Ostrowski, Yael Hahn und René Heinersdorff (von links) glänzen in diesem rasanten Verkleidungsspiel. © Jennifer Zumbusch
Achtsamkeit, oder auf Gen-Z-Neudeutsch „Mindfulness“, ist ein Begriff, der aktuell in aller Munde ist. Die Suche nach dem seelischen Gleichgewicht, das man am besten durch Akzeptanz und innere Ruhe erreicht. Aber kann man tatsächlich auch „Achtsam morden“, so wie es die Plakate der Komödie im Bayerischen Hof aktuell behaupten?
Die Antwort nach der Premiere: Natürlich! Denn Boulevard-Theater muss nicht immer nur eine turbulente „Tür auf, Tür zu“-Komödie sein, die dann trotz zahlreicher Stolpersteine meist doch vor dem Traualtar endet. Darauf pocht René Heinersdorff bei seiner Programmgestaltung im Bayerischen Hof immer wieder. Und dabei schickt er keineswegs nur andere vor.
Bei „Achtsam morden“ steht der Chef nun höchstselbst auf der Bühne und schlüpft nonchalant in die Rolle des Anwalts Björn. Zu Hause ebenso gestresst wie im Büro, sucht er hier einen Life-Coach auf. Einen Spezialisten, der ihm helfen soll, das Ehe- und Berufsleben wieder in Balance zu bringen. Was allerdings leichter gesagt als getan ist. Denn zu Björns wichtigsten Klienten zählt auch der Gangsterboss Dragan, dessen Kopf er wieder einmal aus der Schlinge ziehen soll. Was den Blutdruck mächtig steigen lässt.
Die Ratschläge seines Therapeuten kommen da gerade recht. Selbst wenn sie wohl nicht die Wirkung haben, die sich der neunmalkluge Rollkragen-Träger vorgestellt hat. Denn als Björn mitten in seinem Vater-Tochter-Wochenende von Dragan als Fluchthelfer rekrutiert wird, reicht es ihm endgültig. Und so beschließt er den Balkan-Mafioso kurzerhand im Kofferraum ersticken zu lassen und damit die Welt zu einem besseren und ruhigeren Ort zu machen.
Dass der Stress damit aber erst so richtig beginnt, versteht sich von selbst. Für Björn selbst ebenso wie für Heinersdorffs Spielpartner. Denn die witzige Adaption von Karsten Dusses gleichnamigem Erfolgsroman, der auch als Netflix-Serie mit Preisen geadelt wurde, verteilt rund zwei Dutzend Neben-Charaktere auf gerade einmal zwei Personen.
Yael Hahn und Miguel Abrantes Ostrowski meistern diesen herausfordernden Staffellauf absolut brillant. Und Regisseur Pascal Breuer treibt das rasante Verwirr- und Verkleidungsspiel so flott vorwärts, dass zuweilen nicht mal mehr Zeit bleibt, den Reißverschluss des Kostüms noch hochzuziehen oder die Perücke zu justieren. Ein kontrolliertes Chaos, bei dem man nicht immer sicher ist, was nun Absicht ist und was dem Improvisationstalent des aufgeweckten Trios geschuldet bleibt. Egal! Wenn Yael Hahn in einer geradezu schizophrenen Szene blitzschnell zwischen vier Charakteren wechselt, bleibt kaum ein Auge trocken. Ebenso wie bei ihrem Kollegen, der unter anderem vom tiefenentspannten Grünteetrinker zum hyperaktiven Heroinsüchtigen mutiert und ganz nebenbei auch für den Wildwechsel auf der Autobahn zuständig ist.
Wenn Breuer sein Ensemble tief in die Slapstick-Kiste greifen lässt, lachen dann auch jene im Publikum, die mit dem pechschwarzen Humor anfangs erst noch warm werden müssen. Fans von Serien wie „Breaking Bad“ oder den „Sopranos“ sind hier aber ebenso goldrichtig wie junge Eltern. Denn wenn uns der Abend eines lehrt, dann, dass man von einem bezahlbaren Kita-Platz tatsächlich noch abhängiger ist als vom stärksten Heroin. TOBIAS HELL
„Achtsam morden“
von Bernd Schmidt nach dem Bestseller von Karsten Dusse. Vorstellungen bis zum 19. Oktober in der Komödie im Bayerischen Hof. Karten unter 089/29 28 10 oder online unter komoedie-muenchen.de.