Volles Risiko mit Raab

von Redaktion

RTL schickt den Entertainer ab heute täglich live

Vor einem Jahr kam er wie aus einem anderen Universum zurück: Stefan Raab, jahrelang der große Abwesende des deutschen Fernsehens, inszenierte sein Comeback als Rückkehr vom Olymp. Über die vielleicht längste Treppe der deutschen TV-Geschichte schritt er hinab zu seinen Jüngern, die sich in einer Düsseldorfer Multifunktionshalle für seinen Boxkampf versammelt hatten – und das Publikum jubelte, als komme da tatsächlich der Messias der Unterhaltung herab. Und heute? Man tritt Raab nicht zu nahe, wenn man sagt, dass er mittlerweile sehr viel irdischer wirkt. Auch wenn er gerade wieder typische Raab-Dinge tut. Auf Instagram hat er in den vergangenen Tagen sein neuestes RTL-Projekt in geheimnisvollen Häppchen serviert. Die Auflösung: Ab heute präsentiert der 58-Jährige von Montag bis Freitag um 20.15 Uhr live für 15 Minuten „Die Stefan Raab Show“.

Alle anderen müssen warten – auch Günther Jauch, der mit seinem Quizklassiker „Wer wird Millionär?“ hintangestellt wird. „Ich bin hier jeden Abend der Woche am Start. Jeden verdammten Tag. Supergeil, oder?“, jubelt Raab im aktuellen Trailer, der noch nicht enthüllt, womit er die Viertelstunde füllen wird. RTL geht jedenfalls volles Risiko. Denn Raab, so viel zeigt ein Blick aufs vergangene Jahr, ist längst kein Garant mehr für einen sicheren Erfolg.

Wenn man versucht, ein Fazit aus Raabs zweiter Bildschirmkarriere zu ziehen, bekommt man auf Fragen unterschiedliche Antworten zu hören – abhängig davon, wen man fragt. Daher zunächst ein paar Fakten: Seine wöchentliche RTL-Show („Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab“) wurde in ihrer Ursprungsform wieder beendet, weil die Quoten zu schwach waren. Es bleibt abzuwarten, was das neue Projekt bringt.

Dem Vorentscheid zum Eurovision Song Contest hauchte der ehemalige ESC-Guru Raab tatsächlich neues Leben ein, landete aber mit seinen Schützlingen Abor & Tynna dann nur auf Platz 15. Seine Samstagabendshow „Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli“ erinnert an alte „Schlag den Raab“-Zeiten, der chronisch ehrgeizige Raab steckte aber direkt in der ersten Ausgabe eine Niederlage ein und musste sich von Kommentator Frank Buschmann die Frage gefallen lassen, ob er alt geworden sei. All die Formate bei seinem neuen Haussender RTL erinnerten dabei an recycelte Ideen aus alten TV-Tagen bei Pro Sieben. Die Frage ist nur, ob man mit denen heute noch punkten kann.

Bei RTL gibt man sich optimistisch und von Raab überzeugt. „Viele haben versucht, Stefan Raab zurück vor die Kamera zu holen – uns ist es gelungen, darüber sind wir nach wie vor sehr glücklich“, sagt ein Sprecher des Kölner Senders. Raab habe starke Reichweiten erzielt. „Der ESC-Vorentscheid war der erfolgreichste seit zwei Jahrzehnten. Und ,Du gewinnst hier nicht die Million‘ war das erfolgreichste Streaming-only-Showformat des Jahres und hat nicht nur neue Abos generiert, sondern auch neue Zielgruppen für uns erschlossen.“ Nun freue man sich auf seine runderneuerte wöchentliche Show.

Kritiker gehen mit dem „Raabinator“ derweil härter ins Gericht. Etwa der Popkulturexperte Marcus S. Kleiner, Professor für Medienwissenschaft an der SRH University of Applied Sciences Berlin. Raab sei in vielen Dingen ein Vorbild gewesen, meint er – er habe wirklich das Fernsehen geprägt. „Nun ist er allerdings ein Vorbild dafür geworden, wie man mit seiner Karriere keinesfalls umgehen sollte“, so Kleiner. Auf ihn wirke Raab so, als zitiere er sich in seinen neuen Shows laufend selbst. Interessant sei dabei, dass Raab ja ein Profi sei. „Daher hätte er eigentlich wissen müssen, dass man irgendwann einen bestimmten Punkt an Ruhm und Anerkennung überschritten hat – und dann nicht mehr höher hinauskommt“, sagt Kleiner. Früher habe sich Raab ja auch selbst über Leute lustig gemacht, die „nicht loslassen konnten“.

Die Frage ist, ob man immer noch einen „draufsetzen“ muss – oder ob Raab einfach mit Erwartungen überfrachtet wird, die er durch seine pompöse Wiederkehr selbst ins Unermessliche getrieben hat. Eine Antwort darauf gibt es vielleicht schon heute Abend, um 20.15 Uhr.J.-ERIK SCHMIDT/AKI

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