Empfang: Shani und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. © Tobias Schwarz/AFP
Dank für die Geste: Lahav Shani nach Ende des Konzerts in Berlin, zu dem er am Montagabend mit den Münchner Philharmonikern eingeladen war. © Bernd Von Jutrczenka/dpa
Lahav Shani hat sich in der vergangenen Woche unversehens in einem medialen und weltpolitischen Wirbelsturm wiedergefunden. Erstmals meldete sich der designierte Chefdirigent der Münchner Philharmoniker nun zu Wort – und er tat dies angesichts der harschen Vorwürfe gegen ihn mit bemerkenswert moderaten und versöhnlichen, aber auch klaren Worten.
Man erinnere sich: Die Philharmoniker waren beim Flandern-Festival im belgischen Gent ausgeladen worden, weil Shani sich angeblich nicht vom Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen distanziert habe. Für politischen Druck im Hintergrund sprach die Aussage der flämischen Kulturministerin, dortige Institutionen müssten die Zusammenarbeit mit Partnern beenden, die sich nicht eindeutig vom „Völkermordregime in Tel Aviv“ lossagen (dass die Israelische Hauptstadt Jerusalem ist, war ihr dabei wohl entgangen). Der Affront flog den Verantwortlichen um die Ohren: Eine weltweite Welle der Solidarisierung schwoll an, Stars wie Igor Levit nannten das Vorgehen antisemitisch und prangerten eine „politische Gesinnungsprüfung“ für Künstler an. Am Montagabend durften die Philis als Kompensation beim Musikfest Berlin auftreten, Shani wurde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen.
Von Antisemitismus schreibt Shani kein Wort. Er nennt die Entscheidung der Organisatoren „bedauerlich“. Allerdings stellt er klar: „Die Festivalleitung handelte unter dem Vorwand, dass ,Musik eine Quelle der Verbindung und Versöhnung sein sollte‘, wie in den Medien zitiert wurde. Doch damit entleerte sie die Aussage jeglicher Bedeutung, indem sie politischem Druck nachgab und von mir eine politische Stellungnahme verlangte, obwohl ich mich seit Langem öffentlich für Frieden und Versöhnung einsetze.“
Dann nimmt der Chef der Münchner Philharmoniker und des Israel Philharmonic Orchestras doch konkret auf die Geschehnisse in seinem Heimatland Bezug: Shani nennt den Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ein schreckliches, noch nie da gewesenes Ereignis, das keinen Israeli unberührt gelassen habe – er und viele andere hätten ihr Leben bedroht gesehen. „Dennoch habe ich, wie viele Israelis, meine menschlichen Werte nicht aufgegeben. Die Bilder und Zeugnisse aus dem Gazastreifen sind zutiefst erschütternd, und es ist unmöglich, dem Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen inmitten der Katastrophe, die dieser Krieg über sie gebracht hat, gleichgültig gegenüberzustehen. Es muss alles getan werden, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und den langen Prozess der Heilung und des Wiederaufbaus beider Gesellschaften zu beginnen.“
Neben dieser durchaus deutlichen Distanzierung von Benjamin Netanjahus Politik dankt Shani den Philharmonikern „für ihre unermüdliche Unterstützung, die mich mit noch größerem Stolz erfüllt, Teil dieses Orchesters zu sein“, und allen anderen, die ihn unterstützt hätten. „Ebenfalls von großer Bedeutung war die Solidaritätserklärung des belgischen Premierministers durch seinen Besuch unseres Konzerts in Essen am vergangenen Samstag. Schließlich fühle ich mich sehr geehrt, dass der deutsche Bundespräsident mich ins Schloss Bellevue eingeladen hat.“
Als positives Beispiel (und Beispiel, wie man es besser macht als die Verantwortlichen in Gent, muss man sich dazudenken) nennt Shani die Einladung zum Musikfest Berlin. Er dankt den Berliner Festspielen und der Stiftung Berliner Philharmoniker für die Initiative. „Wir bei den Münchner Philharmonikern sind alle sehr gerührt von dieser Geste, die ein perfektes Beispiel für die Macht der Musik darstellt – die Macht, Menschen zu verbinden, anstatt sie zu trennen.“JOHANNES LÖHR