Das Cover des neuen Albums von Nina Chuba. © J. Marwein
Ihre Welt ist so bunt wie auf diesem Foto: Nina Chuba will sich nicht festlegen lassen. © Jakob Marwein
Hoppla, hier kommt Nina! Und zwar im doppelten Wortsinn, das selbstbetitelte Eröffnungsstück von Nina Chubas neuem Album bollert mächtig drauflos. „Ich bin hier noch nicht fertig, ich misch den Laden auf!“, rappt die 26-Jährige zum Reggaeton-Beat. „Sogar im kleinen Schwarzen habe ich die Hosen an.“ Das ist ja mal ne Ansage. Nina macht auf dicke Hose, kriegt die Zähne kaum auseinander, ist die Chaya aus dem Kiez, die die tuffen Homies mundtot macht. „Wer ist wieder da?“, fragt sie. Und ein Kinderchor ruft: „Nina! Nina! Nina!“
Autsch, das ging charmant daneben. Hier und an manch anderer Stelle fragen wir uns: Die dicke Hose mag zwar griffbereit liegen – aber passt sie Nina Chuba auch? Irgendwie gerät alles, was die Wahlberlinerin anmischt, einfach süß. Auch ihr Sensationserfolg „Wildberry Lillet“ funktionierte vor drei Jahren ja so gut, weil sie zwar über „Immos, Dollars und Privatjets“ trällerte, diese Ode an den Kapitalismus aber mit kindlicher „Ich will haben“-Anmut rüberbrachte. „Will ein Haus für meine Mama an der Küste von Catania, zum Frühstück Canapés und ein Wildberry Lillet.“
Das kann sie sich mittlerweile sicher alles leisten, aber man merkt ihrem zweiten Album an, dass sie das Zuckerschnuten-Image langsam satthat. Allein den Titel „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ kann man in die Richtung interpretieren. Also lässt sie an manchen Stellen die Femme fatale raushängen – und das glaubt man ihr nicht so recht. „Es kann physisch werden, wenn unsere Chemie stimmt“, zirpt sie rollig in „Malediven“. „Der nächste Typ, der‘s besser weiß, kriegt direkt auf die Fresse“, pöbelt sie zu Electro-Punk in „Rage Girl“.
Immerhin, sie probiert was aus. Oder, wie der Werbetext zum Album posaunt: „Nina Chuba zupft keine Blätter, sie reißt am Stil.“ Gemeint ist zwar Stiel, aber es stimmt ja: Stilistisch sind die 19 Songs von „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ unglaublich vielseitig. R‘n‘B, New-Wave, Rock-Balladen, Hip-Hop. Und sie weisen die Frau, die eigentlich Nina Katrin Kaiser heißt, einmal mehr als großes Talent unter den deutschen Liedermachern aus. „3 Uhr nachts“ verströmt urbane Wehmut („Sonnenaufgang auf einem fremden Dach“), die man von Addison Rae oder Caroline Polachek kennt, „Kilimanjaro“ das Fernweh, das man auch beim artverwandten Peter Fox findet.
Ganz besonders gut ist Chuba, wenn sie sich selbst bespiegelt. Vor einiger Zeit hat sie ja bekannt gemacht, dass sie am sogenannten Imposter-Syndrom leidet, auch Hochstapler-Syndrom genannt, bei dem Betroffene stark von Selbstzweifeln geplagt sind, obwohl sie eigentlich erfolgreich sind. Ob‘s daran liegt, dass „Unsicher“ uns so abholt? Sätze wie „Ich schau so lang in den Spiegel, bis mir irgendwas nicht passt“ oder „Ich bin noch nicht so gut da drin, ich leb grad zum ersten Mal“ könnte man auf Postkarten drucken, und sie würden ironisch wirken. Chuba glaubt man sie. „Ende“ ist ein E-Gitarren-Walzer, der auch Udo Lindenberg hätte eingefallen sein können. Chuba macht Zigaretten zu Asche und schwoft in Richtung Beziehungstod: „Ich hab mich verlaufen und fang an zu glauben, ich bin bei dir falsch.“ Im Bossa Nova „Vergessen“ schlüpft sie gar in eine Verkaterte-Diva-Rolle, die auch der großen Hilde Knef gestanden hätte (zugegeben: mit einem Happen Helium).
Bei 19 Songs kann nicht alles funktionieren. Der Abzählreim „LuluLemonSqueezy“ klingt trotz Trap-Rhythmus nicht nach Ghetto, sondern nach Schulhof – und selbst dort läuft man Gefahr, von den coolen Kids dafür geschubst zu werden. Dafür singt sie an anderer Stelle zu sommerlichem Beat von „Plastikstühlen vorm Späti, Berlin wird zu Bella Italia“, von einer Jugend mit einem Herz aus Blei, die trotzdem die laue Nacht genießt. Dann ist Nina Chuba die Chronistin einer Generation, deren Zukunft gerade von ignoranten, selbstsüchtigen Alten verspielt wird. „Jung, dumm und frei“, heißt der Song. Streichen Sie das dumm.JOHANNES LÖHR
Nina Chuba:
„Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ (Jive).
Chuba spielt am 29. Oktober in der Olympiahalle. Das Konzert ist ausverkauft. Am 4. und 5. Juli 2026 schaut sie noch mal vorbei. Karten: muenchenticket.de.