„Der Staat lässt sich von Antidemokraten nicht erpressen.“ Das, sagt Michel Friedman, hätte die Haltung des Bürgermeisters von Klütz sein müssen. Der 3000-Seelen-Ort liegt zwischen Lübeck und Wismar. © Jens Hartmann
Eine Ausladung des Publizisten Michel Friedman von einem geplanten Auftritt im Literaturhaus „Uwe Johnson“ in Klütz in Mecklenburg-Vorpommern sorgt bundesweit für Kritik. Der Publizist sollte im Oktober 2026 anlässlich des 120. Geburtstags von Hannah Arendt (1906-1975) über Demokratie sprechen. Doch nun wurde die Veranstaltung mit dem 69-Jährigen abgesagt, wie der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, mitteilte.
Nach Darstellung von Hintz habe der Bürgermeister der Stadt Klütz, Jürgen Mevius, ihm am Telefon mitgeteilt, dass sich die Mehrheit eines städtischen Gremiums gegen eine Lesung von Friedman ausgesprochen habe. Man habe Sorge, dass rechte Störer oder Hamas-Sympathisanten nach Klütz kommen und demonstrieren könnten. Daraufhin lud Hintz nach eigenen Angaben Friedman von der Veranstaltung aus.
Zuvor hatte sich Hintz zufolge eine Mitarbeiterin des Literaturhauses gegen den geplanten Friedman-Auftritt ausgesprochen und die Stadt als Träger des Literaturhauses eingeschaltet.
Friedman kritisierte in einem Interview mit dem NDR Mevius scharf und sprach von einer „peinlichen Heuchelei“. Der Publizist und Jurist argumentierte, der Bürgermeister hätte im Sinne einer wehrhaften Demokratie zeigen müssen: „Der Staat lässt sich von Antidemokraten nicht erpressen.“ Der Bürgermeister habe vorweggenommen, „dass bei einer Veranstaltung, die im Oktober 2026 stattfindet, also in über einem Jahr, anscheinend die Rechtsextremen so stark sind, dass er seine Stadt nicht schützen kann, wenn Michel Friedman zu Besuch kommt“, sagte Friedman. Die Kunst-, Kultur- und Meinungsfreiheit dürfe nicht gefährdet sein, weil eine vorweggenommene Einschüchterung durch Rechtsextreme angenommen werde.
Mevius widersprach dieser Darstellung auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur und nannte finanzielle Gründe für seine Entscheidung. Das Honorar Friedmans sei deutlich höher als bei Lesungen von Autoren dort üblich. Eine Vertreterin des Fördervereins des Literaturhauses entgegnete, der Stadt würden keine Kosten entstehen, diese würden von anderen Trägern übernommen. Auch die „FAZ“ berichtet, Friedman habe seine übliche Gage für den Auftritt in Klütz reduziert. Dieses sowie seine Spesen würden von Privatpersonen bezahlt.
Mevius sagte außerdem in einer Stadtvertretersitzung am Montagabend in Klütz, es habe keinen Beschluss der Stadtvertretung zu einer Ausladung gegeben. Er habe aber, wie er im Nachgang der Sitzung mitteilte, unter den Stadtvertretern ein Meinungsbild eingeholt. Mevius machte deutlich, dass dieses negativ ausgefallen war. Der Streit um den Auftritt des jüdischen Publizisten Friedman schlägt inzwischen auch in der Landes- und Bundespolitik Wellen. Mecklenburg-Vorpommerns Kulturministerin Bettina Martin (SPD) erklärte: „Die Diskussion gibt mir Anlass zu großer Sorge.“ Sie hoffe sehr, dass die Verantwortlichen „doch noch eine gute Lösung“ herbeiführen werden. Der Vizepräsident des Bundestags, Omid Nouripour (Grüne), schrieb bei X: „Hannah Arendt lehrt uns, dass Demokratie nur lebt, wenn wir sie verteidigen. Die Ausladung Michel Friedmans ist skandalös und zeigt, wie gefährlich es wird, wenn nicht nur Extremisten unsere Strukturen schwächen, sondern wenn wir uns von ihnen auch noch einschüchtern lassen.“ Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte die Ausladung hart. Das sei „ein direkter Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in unserem Land und ein Armutszeugnis für die dortige Gemeinde“, sagt Klein. Am Montag soll in Klütz gegen die Entscheidung der Kommune demonstriert werden. DPA/LEIC