Die Bezaubernde

von Redaktion

Ciao Claudia: Kino-Ikone Cardinale mit 87 Jahren gestorben

Umschwärmt: Cardinale im Kreis der Kollegen (v. li.) Massimo Girotti, Sean Connery, Peter Finch, Eduard Martsevich, Hardy Krüger und Mario Adorf 1971 bei den Dreharbeiten zu „Das rote Zelt“. © Graziani / People Picture

Ein Gläschen mit Filmpartner Jean-Paul Belmondo. © Mario Torrisi

Lockend: Claudia Cardinale © APP

Handgreiflich mit Klaus Kinski (li.) und Werner Herzog. © AP/ dpa

Bodenständig mit dem Kollegen Mario Adorf. © dpa

Die Welt lag ihr zu Füßen: Die junge Claudia Cardinale konnte man gar nicht schlecht in Szene setzen. © UPI / dpa

Mit Anfang 20 wird sie ein Weltstar und bleibt über Jahrzehnte eine Institution des europäischen Kinos mit sehr erfolgreichen Ausflügen nach Hollywood. Dennoch ist Claudia Cardinale nie eine Diva wie andere Kolleginnen. Sie bleibt bodenständig, arbeitet gewissenhaft und lässt sich immer wieder auf wagemutige Projekte ein. Andere Kolleginnen sind vielleicht etwas berühmter, tauchen aber nicht ansatzweise in derart vielen Klassikern auf wie Cardinale.

Sie ist anders als etwa Sophie Loren oder Gina Lollobrigida. Professionell im Auftreten, aber nicht extrovertiert. Obwohl sie als Sexsymbol gilt, achtet sie sehr sorgsam darauf, nie unbekleidet gefilmt zu werden. Nicht weil sie prüde ist, sondern weil sie nicht etwas tun will, nur weil es Männern gefällt. Und weil sie davon überzeugt ist, dass wahre Erotik das Geheimnis braucht.

Ihr Außenseitertum mag mit Cardinales Herkunft zu tun haben. Sie wächst weit weg von allem auf, was auch nur ansatzweise mit der Traumfabrik zu tun hat – in Nordafrika. Dennoch wird sie noch als Teenager über Nacht berühmt – eher aus einem Missverständnis heraus. Sie gewinnt in ihrer Geburtsstadt Tunis einen Wettbewerb als „schönste Italienerin Tunesiens“, Preis ist eine Reise zu den Filmfestspielen in Venedig. Für Cardinale eine surreale Erfahrung. Sie kann sich nur schwer verständigen, denn neben Französisch und Arabisch beherrscht sie nur den schweren sizilianischen Dialekt, den sie von ihrem Vater erlernt hat.

Trotzdem bekommt die auffallend attraktive junge Frau mit dem bezaubernden Blick sofort Rollenangebote, was Cardinale nicht recht ernst nimmt. Sie kehrt nach Tunis zurück und wird ungewollt schwanger – Ergebnis eines sexuellen Missbrauchs, wie sie später enthüllt. Nun geht sie doch zurück nach Italien, um der Schande einer unehelichen Mutterschaft zu Hause zu entgehen. Der Filmproduzent Franco Cristaldi wird bald ihr Schutzengel – und später ihr erster Ehemann. Er sorgt dafür, dass Cardinale ihren Sohn anonym in London zur Welt bringen kann, und bringt sie selbst in einem Welterfolg unter: „Rocco und seine Brüder“ (1960). Cardinale lernt dafür „richtiges“ Italienisch und dann auch Englisch, dennoch wird sie fast immer synchronisiert.

1963 wird für Cardinale ein goldenes Jahr. Sie dreht „Der Leopard“ mit Luigi Visconti, „Achteinhalb“ mit Federico Fellini und „Der rosarote Panther“ mit Blake Edwards. Filmpartner David Niven nennt Cardinale „die beste italienische Erfindung seit Spaghetti“. Sie ist ganz oben, mit gerade mal 25. Der legendäre Kameramann Conrad L. Hall meint, es sei unmöglich, Cardinale schlecht in Szene zu setzen. Sie sei ein perfektes Wesen.

Ihre Filmpartner umwerben sie, zum Teil recht aufdringlich, aber Cardinale lehnt alle Avancen freundlich, aber sehr bestimmt ab. Dafür tut sie so, als sei sie Rock Hudsons Geliebte, damit der seine Homosexualität kaschieren kann. Und springt bei den Dreharbeiten mit ihm ins Wasser, um einen Kaiman zu umarmen – „ich bin ein bisschen wild“, sagt sie. Cardinale klettert unverletzt an Land, Hudson wird vor Angst bewusstlos.

1968 hat Cardinale dann den richtigen Riecher, als sie für den Italo-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ zusagt. Regisseur Sergio Leone gilt in Italien als Billigfilmer, alle raten ihr ab – der Film wird ein globaler Sensationserfolg. 1977 wirkt sie in Franco Zeffirellis legendärer „Jesus“-Fernsehserie mit, 1982 tritt sie neben dem Quartals-Irren Klaus Kinski in Werner Herzogs „Fitzcarraldo“ auf.

Sie bleibt im Geschäft, anders etwa als Brigitte Bardot oder Gina Lollobrigida, die nicht gerne vor der Kamera altern wollen. Cardinale steht zu den Spuren, die das Leben ihr ins Gesicht gräbt. Auch wenn die Italiener sie als ihre Film-Ikone vereinnahmen, sieht sich Cardinale selbst als Sizilianerin und bleibt überdies ihrer Heimat Tunesien verbunden. Als man in Tunis eine Straße nach ihr benennt, ist sie voller Stolz bei der Enthüllung des Straßenschildes anwesend.

Nun ist die hervorragende Schauspielerin, Kämpferin für Frauenrechte und angenehm unaufgeregte Kinolegende Claudia Cardinale mit 87 Jahren in ihrer Wahlheimat Frankreich gestorben. Als man sie einmal fragt, was das Wichtigste sei, wenn man berühmt wird, sagt Cardinale: „Normalität“.ZORAN GOJIC

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