Fahrt durchs arktische Meer

von Redaktion

Dirigent Kent Nagano gastierte bei den Münchner Philharmonikern

Eine mustergültige Debussy-Interpretation glückte Marianne Crebassa, hier mit Kent Nagano. © Tobias Hase

Kent Nagano ist und bleibt der Mann fürs Moderne. Ein Etikett, das er auch bei seinem jüngsten Ausflug ans Pult der Münchner Philharmoniker bestätigte. Eröffnet wurde der Abend nämlich mit einem Auftragswerk des französischen Komponisten Rodolphe Bruneau-Boulmier, von dem Nagano unter anderem bereits eine Oper und ein neues Klavierkonzert zur Uraufführung brachte. In „Caída Libre“ („Freier Fall“) begegnete einem nun mit klapperndem Schlagwerk und rasselnden Saiten zunächst mehr Geräusch als Ton. Wobei sich in den vom Dirigenten klar herausgemeißelten Bläserstimmen schnell eingängige Melodien herauskristallisierten, an denen sich die schroff agierenden Streicher reiben konnten.

Bruneau-Boulmier pflegte da einen beinahe nostalgisch anmutenden Sound, der indirekt schon Berlioz‘ „Nuits d’été“ vorzubereiten schien. Einen subtil instrumentierten Liedzylus, der von Marianne Crebassa mit mustergültiger Diktion dargeboten wurde. Und mit einem warm timbrierten Mezzo, der in den tiefen Registern auf sicherem Fundament ruhte, gleichzeitig aber in den sechs Théophile Gautier-Gedichten immer wieder neue Farbnuancen offenbarte. Crebassa ließ Text und Musik zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen und lieferte so jene Spannung, die am Pult oft mit analytischem Blick ausgebremst wurde.

Auch in Debussys „La Mer“ war von impressionistischen Farben nur wenig zu hören. Was grundsätzlich im Sinne des Komponisten ist, der dieses gern verwendete Adjektiv für seine Werke stets ablehnte. Nagano sezierte die drei symphonischen Skizzen regelrecht. Wobei wenig Cote d´Azur zu spüren war, sondern die Seereise eher von der Normandie hoch in arktische Regionen führte. Illuminiert von kühlen Polarlichtern, die ihre Wirkung aber wohl besser entfaltet hätten, wenn die Intonation etwas homogener gelungen wäre.

Merkwürdig auch die Platzierung der „Corsaire“-Konzertouvertüre von Berlioz. Eigentlich ein klassisches Auftakt-Stück zum Warmspielen, das hier am Ende eher wie eine großzügig nachgereichte Zugabe wirkte. Dies aber effektvoll genug, um damit den freundlichen Schlussapplaus noch einmal anzuheizen.TOBIAS HELL

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