Demokratisch organisiertes Miteinander

von Redaktion

Das Münchener Kammerorchester feiert in der neuen Saison seinen 75. Geburtstag

Ein musikalisches „Wonderland“ verspricht das Münchener Kammerorchester für die neue Saison, in der das Ensemble 75. Geburtstag feiert. So auch morgen Abend bei einem großen Gala-Konzert unter der Leitung von Bas Wiegers. Es ist bereits das vierte Jahr, in dem man beim MKO ohne Chefdirigenten auskommt und stattdessen auf das Trio seiner Associated Conductors vertraut. Wobei neben Wiegers auch Enrico Onofri und Jörg Widmann weiter ihre jeweils eigenen Schwerpunkte pflegen dürfen.

Für Geschäftsführer Florian Ganslmeier ein Modell mit Zukunft, das demnächst unter anderem auch an der Deutschen Oper Berlin für neue Impulse sorgen soll. „Wir haben das als Chance begriffen, um mit Musikern zu arbeiten, die ausgewiesene Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet sind.“ Quasi eine Garantie für Abwechslung, die auch Tatjana Erler aus dem Orchestervorstand zu schätzen weiß. „Man macht sich so ja auch als Ensemble sichtbarer, weil hier eben nicht nur eine Person im Mittelpunkt steht. Was für das Selbstverständnis des Orchesters nur gut ist.“ Immerhin ist die Programmgestaltung des MKO schon länger Gemeinschaftsarbeit. Bereits in der Amtszeit von Clemens Schuldt wurde da ein künstlerisches Gremium eingesetzt, in welchem der Chefdirigent lediglich Teil eines sechsköpfigen Teams war.

Diese Dynamik zählt für Tatjana Erler zu einem der größten Pluspunkte ihres Ensembles. „Das ist für mich sogar der Hauptgrund, warum ich beim MKO bin. Ich wollte immer an einem Ort sein, wo meine Stimme gehört wird. Und zwar nicht nur beim Musizieren. Es ist ein demokratisch organisiertes Miteinander. Und gerade das macht für mich das Musikerleben aus.“ Wenn man die Kontrabassistin bittet, den Klang des MKO zu beschreiben, gibt es für sie vor allem ein Adjektiv: wandlungsfähig! „Das Schönste ist für mich, dass es ein sehr flexibles Ensemble ist, das immer wieder anders klingen kann. Je nachdem in welchem Raum wir spielen, welcher Konzertmeister vorne sitzt oder wer am Pult steht.“

Beim Stichwort Raum kommt das Gespräch dann natürlich auch hier auf die schleppende Konzertsaaldebatte, in der sich Florian Ganslmeier klar positioniert. „Grundsätzlich baut man so etwa nicht für ein Ensemble, sondern fürs Publikum und die Stadt. Bei uns geht es nicht in erster Linie um einen Konzertsaal, sondern um Probenmöglichkeiten. Denn dort ist die Heimat eines Orchesters. Was wir durch die ständige Wanderschaft an Reibungsverlusten haben, ist schon enorm.“ So musste etwa für das Jubiläumskonzert innerhalb von drei Tagen gleich an drei verschiedenen Orten geprobt werden. Eine Herausforderung, die man dank Bas Wiegers jedoch wieder einmal gemeinsam meisterte, wie Tatjana Erler umgehend hinzufügt. „Bas strahlt immer eine große Ruhe aus und arbeitet sich Schritt für Schritt mit uns durch die Partituren. Er steht da weniger als Chef vor uns, sondern eher als ein Kollege, der die Stücke mit uns gemeinsam entdeckt.“

Diese Neugier zeichnet dabei nicht nur das Kammerorchester selbst aus, sondern auch sein Abo-Publikum, mit dem man ein fast schon familiäres Verhältnis pflegt. „Die Menschen kommen auch zu uns, weil sie sich überraschen lassen wollen.“ Wobei Ganslmeier nicht ohne Stolz berichtet, dass die Zahlen aller Abo-Reihen erneut einen Aufwärtstrend verzeichnen. Im Prinzregententheater ebenso wie bei der längst Kult gewordenen „Nachtmusik der Moderne“, die künftig neben Retrospektiven auch jüngeren Komponistinnen und Komponisten eine Plattform bieten soll. Denn nur so bleibt ein Orchester am Puls der Zeit.TOBIAS HELL

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