Der Heidenspaß, den Herbert Grönemeyer (69) bei diesem Album hatte, klingt aus jedem der 23 Lieder aus vier Jahrzehnten. © imago stock
Hier hatte einer richtig Spaß. Man sieht sein breites Grinsen förmlich vor sich, wie er da im Studio steht und tut, was er am liebsten tut: mit Inbrunst singen. Für Herbert Grönemeyer scheint dieser Ausdruck überhaupt erst erfunden worden zu sein. Mit mehr als 19,7 Millionen im Inland verkauften Tonträgern ist er allen Was-hat-er-genuschelt?-Kritikern zum Trotz der kommerziell zweiterfolgreichste zeitgenössische Musiker in Deutschland hinter Ed Sheeran.
Nein, der Herbert muss nichts mehr beweisen. Sondern darf sein verschmitztes Lächeln aufsetzen und mit großer Lust am Leben Hymnen auf sich selbst schreiben. Wie 2011, im herrlichen „So wie ich“. Der Refrain geht so: „Ich bin total in mich verliebt (Keiner liebt mich so wie ich)/ Ich bin so froh, dass es mich gibt“. Leider einer der (einfach zu) vielen Hits aus seiner mehr als vier Jahrzehnte währenden Karriere, der sich nicht auf dem Album findet, das nun erschienen ist. Es trägt den wunderbar zweideutigen Titel „Von allem anders“. Anspielung auf eine seiner besten Platten, „Bleibt alles anders“ (1998). „Von allem anders“ ist seine zweite rein akustische Platte, die nun, genau 30 Jahre nach der ersten „Unplugged“-Sause von 1995, auf den Markt kommt.
„Die Aufnahmen haben einen Heidenspaß gemacht“, erzählt der Künstler selbst. Hätte er nicht sagen müssen, klingt aus jedem Lied. Und wenn ihm dann mal wie bei „Herzhaft“ (2023) ein lautes Lachen entfährt, dann wird das nicht herausgeschnitten. Genau das macht eine „Unplugged“-Platte ja so unmittelbar wie eine Live-Session, bei der man exklusiv zuhören darf. Und: Stecker raus, keine elektrisch verstärkten Instrumente.
23 Perlen (inklusive dem vor 1995 entstandenen „Flugzeuge im Bauch“) hat er hier versammelt, nicht bloß die Radiohits, auch viel geliebte Raritäten wie „Mut“ (2018) oder „Neuer Tag“ (2014). Nur eben: nicht ganz so, wie man sie kennt. Mit seinen bald 70 Jahren betont der Sänger zwar unermüdlich, dass er selbst gar nicht so viel Wert auf die Songtexte lege, ihm seine „Bananentexte“, die er bei der Entstehung eines Liedes vor sich hingrönemeyert, völlig reichen würden. Aber hilft ja nix: Die Menschen lieben ihn eben auch für seine verdrehten Metaphern. Für sein Spiel mit der deutschen Sprache. Welch großen Sinn für Poesie und Komposition er hat, das kann man auf „Unplugged 2 – Von allem anders“ besonders auskosten.
Sein Überhit „Der Weg“ (2002) bekommt durch die Begleitung des Rundfunkchors Berlin eine größere Intensität. Geht ins Ohr – direkt ins Herz. Beim zweiten Riesenerfolg aus dem Jahr 2002, „Mensch“, hat er einen kleinen Rap eingebaut. „Es ist der Zusammenhalt, wie wir zusammenstehn/ egal, was sich zusammenballt, ,gemeinsam‘ heißt der Weg.“ Eine solche Songauswahl sagt ja auch was aus. Herbert Grönemeyer, stets im Einsatz für Zusammenhalt und Aufeinanderzugehen, hat deshalb unter anderem „Doppelherz/iki Gönlüm“ (2018) ausgewählt, diese gut gelaunte deutsch-türkische Feier der Integration.
Für ein paar Songs hat er sich Unterstützung geholt. Herbert und die Sängerin LEA für eine seiner mitreißendsten Balladen, „Demo (Letzter Tag)“ von 2002, harmonieren prima; Peter Fox gibt „Warum“ (2018) mehr Zug. Doch es sind die Lieder mit dem Chor, die einen besonders treffen. Was sie hier aus „Unfassbarer Grund“ (2011) gemacht haben – das kommt gut. Man kann es auch ein Best-of nennen. Karger und intensiver zugleich. Wie heißt es in Song eins der neuen Platte, „Sekundenglück“? „Und du denkst, dein Herz schwappt dir über“. Wie das klingt? Genau so.KATJA KRAFT
Herbert Grönemeyer:
„Unplugged 2 – Von allem
anders“ (Vertigo Berlin).