Zauber der Vergangenheit

von Redaktion

Wohnen mit alter Kunst: Hirmer-Verlag lädt zur Debatte

Prachtband: „Holkham“ ist bei Hirmer erschienen.

Im Gespräch über das Leben mit Kunst und Antiquitäten (v. li.): Dirk Boll, Sabine Spindler und Leo Schmidt. © leic

Nach der Diskussion klingt dieser Werbeslogan erst recht absurd: „Wohnst du noch oder lebst du schon“, fragt der bekannte schwedische Möbelschrauber (bei dem am Ende immer eine Schraube fehlt) seit 2002. „Wohnen und Leben mit alter Kunst“ hat dagegen der Münchner Hirmer-Verlag sein Podiumsgespräch bei der Highlights-Kunstmesse in der Residenz überschrieben. Was sich staubtrocken liest, war eine quicklebendige Debatte rund um Kunst, Antiquitäten und den „Zauber der Vergangenheit“. Ein Gespräch mit Gewinn.

Ausgangspunkt war der opulente Band „Holkham“, den der Verlag unlängst publiziert hat. Das Schloss, von 1720 bis 1760 durch den hochgebildeten, visionären und ehrgeizigen Earl of Leicester erbaut, ist bis heute beides: Ziel für Touristen (jährlich rund 60 000 Gäste) und Wohnhaus der Familie, die in prächtigen Räumen mit einer erlesenen Sammlung an Kunstwerken lebt. „It’s not a Museum“, betone die aktuelle Lady Leicester, berichtet Kunsthistoriker Leo Schmidt.

Er ist zwar Mitherausgeber der Publikation, machte aber nicht den Fehler, ausschließlich über das Buch zu sprechen. „Wir schauen zwar auf alte Objekte, aber es interessieren uns doch auch die Menschen, die sie hergestellt haben und die damit leben“, fasst er seine These zusammen. Mit Schmidt auf der Bühne sitzt der Kulturmanager Dirk Boll, ein profunder Kenner des Kunstmarktes. Er wird später auch die Bedeutung von Nachhaltigkeit unterstreichen: Für die Herstellung alter Möbel müsse „heute kein Baum mehr fallen“.

Sehr einig sind sich die beiden Experten, als es gleich zu Beginn um die Frage nach dem „Gewinn“ geht, den jeder erziele, der sich mit alten Dingen umgibt. Wobei Moderatorin Sabine Spindler Wert darauf legt, dass sie ein geistiges und kein monetäres Plus meint. „Lesen und Schauen: Das ist doch das, was Spaß macht und hilft“, stellt Boll fest und ergänzt: „Sammeln ist ein intellektueller Prozess.“ Durch die Auseinandersetzung mit Kunst forme sich Wissen – das „illustriere das eigene Dasein für den Wimpernschlag, den man selbst lebt“. Gerade die Massenproduktion, eine große Gleichmacherin, lasse einen „das Individuelle und Historische schätzen“.

Doch macht das Trio auch klar, dass es nicht unbedingt ums Besitzen der Kunst gehe. Zumal ein Bildband wie „Holkham“ den Betrachter mittels Smartphone und Bewegtbildern durch die Räume wandeln lässt. „Es ist wie bei ,Harry Potter‘“, sagt Leo Schmidt und lacht. Der Kunsthistoriker meint mit diesem Satz freilich beides – das Schatzhaus und das Buch.MICHAEL SCHLEICHER

Elizabeth Angelicoussis und Leo Schmidt (Hg.):

„Holkham“. Hirmer-Verlag,
München, 368 Seiten; 60 Euro.

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