Zu ihm schaut Eric Clapton auf: Dion DiMucci blickt auf 70 Jahre Musik zurück. © David Godlis
Wenn er ruft, stehen selbst die größten Rock-Legenden stramm: Dion DiMucci, der in den Fünfzigern mit Hits wie „The Wanderer“ und „Runaround Sue“ Berühmtheit erlangte, hat in den vergangenen vier Jahren drei Alben mit erlesenen Gästen aufgenommen – von Jeff Beck bis Eric Clapton. Heute erscheint sein neuestes, „The Rock’n’Roll Philosopher“. Im Interview erinnert sich der erstaunlich jung gebliebene 86-Jährige an seine Einflüsse und daran, wie seine Sparsamkeit ihn davor bewahrte, mit Buddy Holly zu sterben.
Sie eröffnen Ihr Album mit „I’m your Gangster of Love“ – und ahmen dabei Maschinengewehr-Salven nach. In Ihrer Jugend gab’s die ja wirklich noch in der Bronx.
Oh ja, all die Gangster standen bei uns in ihren feinen Anzügen an der Ecke. Ich fand sie als Kind faszinierend. Anfang dieses Jahres hatte ich die Gelegenheit, den Song ein paar Teenagern vorzuspielen. Und die sind total ausgeflippt. Da wusste ich: Den muss ich an den Anfang meines Albums stellen!
Inwiefern hat New York Sie geprägt?
Jeder ist beeinflusst von seiner Herkunft. Vor allem, wenn man in einem Ghetto lebt – sei es schwarz, jüdisch, spanisch. Bei mir wurde schwarze Musik durch eine italienische Nachbarschaft gefiltert. New York ist dreist, ehrlich, rotzfrech. Und Songs wie „The Wanderer“ spiegeln die Prahlerei, die man da in den Straßen hört: „Baby, willst du nicht einen Mann wie mich?“ Es macht so einen Spaß, das zu singen!
Bob Dylan hat über Sie gesagt, Sie seien in Ihrer Karriere mehrmals wiedergeboren worden. Als Doo-Wop-Rocker, als Folksänger, als Blueser. Aber immer unverkennbar. Hat er Recht?
Nicht unbedingt. Man sagt ja auch: Er oder sie hat sich neu erfunden. Aber ich habe mich nicht selbst erfunden, damit fängt’s schon mal an. Ich glaube an Gott. Er erlaubt, dass Dinge passieren. Man entwickelt sich, reift. Als wäre man mit 17 eine Eichel – und heute eine alte Eiche. Es ist dieselbe DNA.
Wann haben Sie erkannt, was für eine Wahnsinnsstimme Sie haben?
Das habe ich nie. Ich wollte nur singen wie Hank Williams, der seine Songs absolut glaubhaft rüberbrachte. Buddy Holly war hin und weg, als ich ihm sogar die B-Seite von Hanks „Jambalaya“ vorsingen konnte.
Im Song „American Pie“ von Don McLean heißt es: Der Tag, an dem Holly mit dem Flugzeug abstürzte, war „the Day, the Music died“. Sie wären ihm 1959 fast in den Tod gefolgt, oder?
Wir waren gemeinsam auf Tour, und ich wollte eigentlich mitfliegen – bis ich den Preis hörte: 36 Dollar. Genau den Betrag mussten meine Eltern als Monatsmiete für unsere Wohnung erwirtschaften. Da wusste ich: Ich habe nicht das Recht, als 19-Jähriger so viel Geld auszugeben, nur um schneller von Clear Lake nach Fargo zu kommen. Also stieg ich in den Bus, Buddy ins Flugzeug.
Sind Sie sich dessen bewusst, dass Sie Rock’n’Roll-Geschichte verkörpern?
So ist das halt bei 70 Jahren Karriere. Ich war befreundet mit Bo Diddley, Little Richard, Chuck Berry, Sam Cooke. Später hing ich mit der zweiten Generation rum, wie Bruce Springsteen.
Der von Ihnen maßgeblich beeinflusst war.
Das hat er mir auch mal gesagt, ja – und dass er wegen meines Saxofonisten zu der Überzeugung kam, dass eine Band ohne Saxofon nichts taugt.
Wie fühlt es sich an, dass Leute wie Clapton Ihr Loblied singen?
Eric ist großartig. Er war so großzügig, auf dem neuen Album mitzuspielen, und als ich ihn hörte, sagte ich: Mann, du klingst wie ein 19-Jähriger. Er meinte: Ich will einen guten Job für dich machen, ich bin mit deiner Musik großgeworden.
Die Gästeliste auf Ihrem jüngsten Alben sucht Ihresgleichen. Wie kamen Sie auf all die Stars?
Die Pandemie war schuld. Ich nahm Songs bei einem Freund zu Hause auf. Die Straße gegenüber wohnt der Manager von Joe Bonamassa. Er liebte einen der Songs, also spielte Joe die Slide-Gitarre ein. Er war unglaublich. Also dachte ich: Warum fragst du nicht noch ein paar großartige Künstler, ob sie mitmachen wollen? Ich fragte Jeff Beck, Springsteen, Mark Knopfler, Van Morrison.
Sie müssen der einzige Mensch auf der Welt sein, der bei all diesen Legenden anfragt – und die fühlen sich geehrt, mitzumachen.
Oh nein, ich fühle mich geehrt. Ich hatte so eine großartige Zeit. Ich habe eine Welle erwischt, die mich trägt. Und dafür bin ich wirklich dankbar.
Dion:
„The Rock’n’Roll Philosopher“ (KTBA Records).