Applaus, Applaus: Standing Ovations bekam Chris De Burgh schon ehe er einen Ton gesungen hatte. © Stefan M. Prager
Erlebt man auch nicht so oft: Standing Ovations, noch bevor das Konzert beginnt. Kaum betritt der mittlerweile 77-jährige Chris de Burgh die Bühne, kennen die begeisterten Fans beim Finale der Deutschland-Tour in München kein Halten mehr. Das Publikum signalisiert dem irischen Singer-Songwriter sofort: Egal, was kommt, er wird gefeiert.
Ein halbes Jahrhundert Karriere im Musikgeschäft begeht de Burgh mit seiner Solo-Konzertserie und hat sich für das intime Konzept (ein Mann nur an Klavier beziehungsweise Gitarre) das Deutsche Theater ausgesucht. In manchen Regionen dieses Planeten hat er Fußballstadien bespielt, in München mehrfach die Olympiahalle, nun also ein Theatersaal, ausverkauft natürlich.
Es folgen erst mal vergleichsweise obskure Stücke, die de Burgh aber offenkundig am Herzen liegen. Es vergeht mehr als eine Stunde, bis er mit „Spanish Train“ ein bekanntes Lied anstimmt – und sofort steigt die Betriebstemperatur. De Burgh spielt das ohne Gimmicks, wenn man es wohlwollend sagen möchte. Kein neuer Ansatz, keine überraschenden Arrangements, die Hits werden so wiedergegeben, wie man sie kennt.
Das passt natürlich zu einem traditionellen Liedermacher wie de Burgh. Was nicht so recht zu dem Musiker passt, ist die etwas ungewöhnliche Entscheidung, bei manchen Songs auf Begleitung vom Band zu setzen – das hat ein wenig die Anmutung von Hotelterrassenbeschallung und ist eines Musikers wie de Burgh nicht recht würdig. Aber wie schon beschrieben: Es ist egal, die Fans feiern den Mann und seine Musik.
De Burgh hat ja tatsächlich eine sehr ansehnliche Liste von reichlich unverwüstlichen Klassikern vorzuweisen, von denen manche im Laufe der Jahre sogar etwas gewonnen haben. Wie etwa das fatalistische „Borderline“, bei dem bei der Zeile „I will never know how Men can see the Wisdom in a War“ spontan Applaus aufbrandet. Die Themen, die de Burgh vor vier Jahrzehnten besungen hat, bewegen die Menschen nach wie vor.
Das leicht Irritierende an diesem Auftritt ist die, sagen wir mal, dramaturgische Unwucht. Neben todsicheren Abräumern wie „Don’t pay the Ferryman“ oder natürlich „Lady in Red“ stehen Coverversionen, die nicht zwangsläufig in das Programm zu passen scheinen, etwa „Africa“ der Popband Toto. Und so oszilliert der Abend zwischen bewegenden Momenten und leicht befremdlichen Zwischenspielen.
Es ist nicht ohne Weiteres auszumachen, welchen Bezug de Burgh zu einigen der Lieder hat, die er singt. Klar, „Let it be“ von den Beatles ist eine ehrliche Hommage an die großen Idole, die eine ganze Generation von Musikern, einschließlich de Burgh, inspiriert haben. Weitere Interpretationen von anderen Künstlern wirken etwas beliebig. Was den Musiker erkennbar umtreibt, ist hingegen der Krieg in der Ukraine, er kommt wiederholt darauf zu sprechen, holt einen Schal mit den ukrainischen Farben auf die Bühne und trägt ihn am Ende auch, als er abgeht.
In diesen Augenblicken ist er offenkundig kein Entertainer mehr, der fleißig für sein Musical „The Legend of Robin Hood“ wirbt (was legitim ist), sondern das, was er zu Beginn seiner Laufbahn war: ein politischer Künstler, der mit seinem Werk etwas bewegen will. Heute gilt er freilich als Lieferant für Kuschelrock – wie dieser Abend gezeigt hat, ist er beides. ZORAN GOJIC