Zeitreise: Durch Pappaufsteller kann man sich in einen Ägypter verwandeln. © Hessing
Wie roch‘s im Alten Ägypten? An Duftstationen kann man es erschnuppern. © R. Hessing
Auf Augenhöhe: Die Schaukästen sind so angebracht, dass auch Kinder gut hineinblicken können. © Roy Hessing/SMAEK
Willkommen im Alten Ägypten! Im Staatlichen Museum ägyptischer Kunst wird man freundlich empfangen. © Roy Hessing
Ausstellungen für Kinder sind ja immer so eine Sache: Zu hoch angebrachte Schaukästen, zu komplizierte Erläuterungen. Zu viele Details, die womöglich Erwachsene interessieren könnten, aber von einem kindlichen Erfahrungshorizont weit entfernt sind. Fazit: Kinder gelangweilt. Eltern genervt. Die großartige Schau „Kindheit am Nil. Aufwachsen im Alten Ägypten“ im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst (SMAEK) in München macht jetzt dank des durchdachten Konzepts der Kuratoren und der innovativen Gestaltung durch das Münchner Innenarchitekturbüro Die Werft alles richtig: Nicht nur, dass die Museumschefs Arnulf Schlüter und Melanie Flossmann-Schütze statt der üblichen Könige, Kriege, Götter und Liebesdramen erstmals den Alltag der Kinder ins Zentrum stellen und entsprechende Exponate zusammengestellt haben. Sondern auch, indem man sich wortwörtlich auf das Niveau der Kleinen begibt. Im besten Sinne. In die angebrachten Schaukästen können schon Kindergartenkinder hineinsehen. Es gibt ein Rätsel zu lösen und zum ersten Mal Duftstationen. Dafür wurden eigens spezielle Düfte von damals rekonstruiert, die man erschnuppern darf.
Der riesige, im SMAEK für die Sonderausstellungen reservierte Raum ist in neun Bereiche eingeteilt. Vom Alltag, der Schule, der Freizeit, über Religion, Magie und den Tod (der sich bei Bedarf aber auch vermeiden lässt) kann man alles über die jungen Alten Ägypter erfahren. Knapp 4000 Jahre Kulturgeschichte, von etwa 3000 v. Chr bis etwa 500 n. Chr., umfasst der präsentierte Zeitraum. Wie das Leben eines Kindes im Alten Ägypten ablief, hatte stark damit zu tun, ob man als Nachfahre eines Pharaos, eines Priesters oder eines Bauern geboren wurde. Und natürlich, ob es sich beim Nachwuchs um ein Mädchen oder einen Jungen handelte. Während die Mädchen in der Regel bei ihrer eigenen Hochzeit erst zwischen zwölf und 15 Jahren alt waren, hatten die Jungen längst voll mitzuarbeiten. Die Kindheit war kurz, eine Chance auf Schulbildung hatte kaum einer.
„Wir wollen in dieser Ausstellung ein wenig den Kontrast zu heute darstellen und durch die Lebensumstände in der Antike zeigen, was wir inzwischen alles erreicht haben“, erklärt SMAEK-Direktor Schlüter. „Aber auf eine subtilere Art als nur ‚Seid froh, dass ihr in die Schule gehen dürft’.“ Nur ein bis drei Prozent der Kinder gingen überhaupt in eine Schule. Meistens nur Jungen aus höheren Ständen, Prinzensöhne oder die Kinder von Schreibern oder Lehrern. Über Einstiegspunkte wie die Schulbedingungen geht es dann tiefer in Themen wie die verschiedenen Schriften, die man im Alten Ägypten benutzte.
Man kann sich wirklich hineinbegeben in die Lebenswelten der Kinder jener Zeit. Ansehen, welche Kleidung sie trugen (und eine Replik davon sogar anprobieren). Ihre Schlafstellen auf Bequemlichkeit prüfen und dabei sogar die Sternbilder des altägyptischen Himmels darüber entdecken. Riechen, von welchen Gerüchen sie umgeben waren. Man sieht, was gegessen wurde. Die Rezepte für Linsenbrei mit Dill und Anis sowie für Schweinelende in Wein und Feigensaft mit Koriandersamen und Oregano kann man dann daheim nachkochen (lassen).
Auch ein trauriges Thema wird behandelt: Die Kindersterblichkeit war enorm hoch. „Wir haben dieses Thema nicht ausgespart, denn es war für die Ägypter sehr relevant“, sagt Schlüter. Etwa 20 Prozent der Kinder sind kurz nach der Geburt verstorben und weitere 30 Prozent haben das fünfte Lebensjahr nicht erreicht. „Der Umgang mit Verlust und Tod eines Kindes war in allen Familien präsent.“ Aber wer die kleinen Mumien und Särge nicht sehen mag, kann mit seinen Kindern auch elegant an diesem Bereich vorbei schlendern.ULRIKE FRICK
Bis 21. Juni 2026
Di. 10 bis 20 Uhr
Mi. bis So. 10 bis 18 Uhr.