Mit allen Farben

von Redaktion

Rattle und das BR-Symphonieorchester

In seinem Element: Sir Simon Rattle. © Astrid Ackermann

Der langsame, dritte Satz aus Schumanns Zweiter (eigentlich seiner dritten) Symphonie in C-Dur wurde zum bewegenden Erlebnis im Abo-Konzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks am Donnerstagabend in der Münchner Isarphilharmonie. „Nocturne mit Generalbass“ (Csampai) genannt, wurde er von Sir Simon Rattle, den wunderbaren Streichern und den von der Oboe angeführten Holzbläsern als zu Herzen gehende poetische „Einlage“, klanglich fein gefächert und höchst einfühlsam musiziert. Rundherum ging es aufgeregter zu: Vor allem im vorangegangenen Scherzo überschlugen sich die ersten Geigen schier, die schon von Beginn an (mitsamt ihren Kollegen) auf Höchstleistung gepolt waren und von Rattle angefeuert wurden. Dass er ihnen zuletzt einen Extra-Applaus verschaffte, war mehr als verdient. Auch das Blech, das sich schon in der Einleitung zu Wort meldete, fetzte im Finale samt Pauke los und bestätigte, was Schumann meinte: Er habe sich damit „gesundgeschrieben“, hatte er doch unter schweren Depressionen gelitten und war deshalb von Leipzig nach Dresden übersiedelt. Dort hatte der Romantiker seine C-Dur-Symphonie – auf den Spuren Bachs und Beethovens (Liedzitat) wandelnd – komponiert.

Rattle und seine BR-Symphoniker ließen es an Transparenz und dynamischem Feinschliff nirgendwo fehlen und die Schluss-Coda, wie gewünscht, kräftig dröhnen.

Für Strawinskys „L’oiseau de feu“ (Feuervogel) wurde das Orchester dann „aufgerüstet“, mit Bläsern, Schlagwerk, Harfen, Klavier, Celesta und sogar vier Wagnertuben, die für einen kurzen Auftritt erschienen. Rattle, der auch dieses Werk ohne Partitur dirigierte, setzte mit den furios musizierenden BR-Symphonikern auf eine unterschwellige Nervosität, auf oft feinfädige Durchsichtigkeit und ließ mit ihnen das raffinierte Farbenspiel changieren. Beeindruckend die bis an die Hörgrenze getriebenen Pianissimi der Streicher, das singende Holz, das weiche Horn-Solo oder Einsätze des Blechs. Tänze, flehende Bitten, Kampf, Tod und Freudenjubel rund um den Feuervogel, Kaschtschej und Zarewitsch wurden bildhaft lebendig. Großer Jubel.GABRIELE LUSTER

Artikel 9 von 11