Eine sanfte Diktatorin: Kim Wilde, hier bei einem Konzert im vergangenen August in Großbritannien. © Imago Stock/IMAGO/SOPA Images
Die Frau macht alles richtig. Na ja, fast. Als sich Kim Wilde nach 100 außerordentlich unterhaltsamen Minuten vom euphorisierten Publikum im vollen Münchner Circus Krone verabschiedet, sagt sie „Tschüss München“. „Tschüss“ sagt man südlich des 50. Breitengrades ja eher nicht. Aber von diesem Detail abgesehen erweist sich die Britin, die nächste Woche unfassbarerweise 65 Jahre alt wird, als vollkommene Entertainerin.
Punkt 20 Uhr steht sie auf der Bühne, spricht „München“ akzentfrei aus, spielt die Hits, auf die alle warten, mit aufrichtiger Freude, streut ein paar neue hübsche Lieder ein, die sehr gut ankommen, obwohl sie ein bisschen ernsthafter sind als die alten Klassiker. Und natürlich ist da dieser unverstellte Charme. Die Frau ist, wer sie ist – da gibt es kein großes Gewese. Wilde weiß, dass sie viel Glück hatte und freut sich erkennbar darüber, dass die Menschen auch viereinhalb Jahrzehnte nach ihrem Durchbruch immer noch zu ihren Konzerten strömen (Wilde nennt das mit britischem Understatement „Gigs“) und lautstark mitmachen, wenn Wilde freundlich, aber bestimmt „Sing München!“ anordnet.
Im Gegenzug singt sie ein paar Zeilen von Nenas Hit „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ in brauchbarem Deutsch und schickt den Saal am Schluss mit „Kids in America“, ihrem ersten Hit, ins Delirium. Eine sanfte Diktatorin ist Wilde, denn trotz ihrer völlig unprätentiösen Art will sie natürlich die Begeisterung spüren. Sie ist schließlich der Grund, sich in gesetzterem Alter auf der Bühne auszustellen.
Immer noch wirkt sie jugendlich und nach wie vor hat sie diese eigenwillige Mädchenstimme: kräftig, aber verletzlich. Und so klingt Wilde bei den Abräumern „Cambodia“ oder „You keep me hangin on“ tatsächlich noch so wie in den fernen, seligen Achtzigerjahren.
Die Fans, darunter gar nicht so wenige, die damals noch gar nicht auf der Welt gewesen sein können, gehen voller Leidenschaft mit. Erstens, weil sie die Musik mitreißt und zweitens, weil man Mrs. Wilde nicht enttäuschen möchte, wenn sie das Mikrofon erwartungsfroh ins Rund reckt. Es ist schwierig zu erklären, aber es ist unmöglich, Kim Wilde nicht zu mögen, wie sie da so beschwingt über die Bühne hüpft und sich über und über dafür bedankt, immer noch ihrem Beruf nachgehen zu können.
Eine Wohlfühlveranstaltung für das Publikum und für Wilde, die überschwänglich ihrem kleinen Bruder Ricky dankt, der sie seit Beginn ihrer Karriere begleitet und für sie komponiert. Neu im Familienbetrieb ist dessen Tochter Scarlett Wilde, die ansehnlich die Eintänzerin gibt. Offenkundig mag man sich untereinander sehr.
Diese positive Energie schwappt über, es ist vermutlich der Grund, weshalb man Kim Wilde so lautstark bejubelt: an diesem Abend, in diesem Zelt gibt es für 100 Minuten nur gute Laune, Freundlichkeit und Harmonie. Dafür muss man in Deutschland mittlerweile offenbar Eintritt zahlen. Sei es drum, wenn es Kim Wilde gelingt, zu bewerkstelligen, dass am Ende ausnahmslos alle glücklich sind, ist das sein Geld wert.ZORAN GOJIC