NEUERSCHEINUNG

Die Akkus aufladen

von Redaktion

Anton G. Leitner wählt „jung & alt“ als Motto seiner Lyrik-Anthologie

Ohne Menschen wie ihn sähe die deutsche Literaturszene ziemlich alt aus: der Autor und Verleger Anton G. Leitner aus Weßling im Landkreis Starnberg. © klaus haag

Man muss es einmal so deutlich sagen: Die deutsche Literaturszene sähe ziemlich alt aus ohne derart umtriebige Selbstausbeuter wie Anton G. Leitner. Der Autor und Verleger aus Weßling (Landkreis Starnberg) gibt mit der Jahresanthologie „Das Gedicht“ die wohl wichtigste deutschsprachige Lyrik-Zeitschrift heraus. Und die wirkt noch im 33. Jahr ihres Bestehens verblüffend vital, was auch daran liegt, dass die darin vertretenen Autoren teils alte Hasen, teils junge Hupfer sind. Insofern scheint es nur folgerichtig, wenn das neue „Gedicht“ nun dem Themenschwerpunkt „jung & alt“ gewidmet ist.

Sowohl vom Älterwerden als auch vom Kindsein, vom Kinderkriegen und Kinderhaben handeln viele der hier versammelten Gedichte. Gleichwohl konnten sich gerade Lyriker auch ein feines Gespür dafür bewahren, wie wir alle zuweilen bloß „Erwachsen spielen“, aber in Wirklichkeit Kinder bleiben, wie es Christine Madenach in ihrem gleichnamigen Text beschreibt: „Feiertage, die ich vergesse. Als wohnte ich noch bei meinen Eltern, / die den Kühlschrank füllen.“

Dass aber jung und alt oft auch in einem einzigen Menschen vereint sind, hat der bekannte Münchner Autor Friedrich Ani bemerkt. In seinem Gedicht mit dem schön mehrdeutigen Titel „Mein Alter“ heißt es: „Als ich klein war, fiel viel / Schnee, behauptet der Alte / in mir. Das glaube ich / nicht. Doch, sagt er“.

Unausweichlich wetterleuchtet beim Thema „jung & alt“ aber auch das Motiv der Endlichkeit des Daseins durch die Texte. Den natürlich aussichtslosen Wunsch nach Unvergänglichkeit formuliert Helmut Krausser in dem verzweifelt komischen Gedicht „Die Flut“, wo er trotzig darauf beharrt, das Meer aufhalten zu wollen. Und wie eng Alterung mit verschleißenden Produktionsverhältnissen zusammenhängt, weiß Lars Bornschein. Sein „energetischer lebenslauf“ schildert eine typische Biografie in der Leistungsgesellschaft mit Metaphern der Elektrotechnik: „in seiner jugend ständig unter strom / total ausgepowert in den dreißigern / spannung gehalten bis vierzig / im wechselstrom der gezeiten / danach jahrelang im / energiesparmodus unterwegs / seit 60 nur noch auf standby“.

Welch ein Glück, dass man zumindest mit dem neuen „Gedicht“ seinen Akku wieder aufladen kann!ALEXANDER ALTMANN

Anton G. Leitner/Matthias Kröner:

„Das Gedicht“ Nummer 33. Anton G. Leitner Verlag,
223 Seiten; 20 Euro.

Lesung: Am 19. November um
19 Uhr feiert das neue „Gedicht“ mit einer Lesung vieler beteiligter Autoren Premiere im Lyrik
Kabinett, Amalienstraße 83a, München. Karten sind unter service@dasgedicht.de erhältlich.

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