PREMIERE

Pippi macht glücklich

von Redaktion

Astrid Lindgrens Klassiker begeistert im Residenztheater

Tolles Trio: (v. li.) Tommy (Dominikus Weileder), Pippi (Amuat) und Annika (Elisabeth Nittka). © SANDRA THEN (2)

Da steht ein Pferd auf der Bühne: Pippi Langstrumpf (Liliane Amuat) und Kleiner Onkel.

So, und jetzt wagen wir alle mal ein bisschen mehr Pippi. Marschieren ins Residenztheater und schneiden uns eine dicke Scheibe ab von der Lebensphilosophie dieser fröhlichen Amazone, die verstanden hat, wie man sich und anderen das irdische Dasein versüßt. Am Ende des Theaternachmittags werden die anfangs vorbildlich weißen Kleider von Tommy (Dominikus Weileder) und Annika (Elisabeth Nittka) kunterbunt sein wie Pippis Villa. Und die Zuschauer erfüllt von dem Gefühl, dass Plutimikation und was man sonst noch in der Schule lernt ja schön und gut sind – für ein glückliches Dasein aber noch sehr viel anderes zählt. Herzensbildung, wie sie in Astrid Lindgrens Buche steht.

Was hat sich Daniela Kranz da für eine zauberhafte Inszenierung einfallen lassen. Ihr gelingt es, die alten, wohlbekannten Geschichten mit neuem Leben zu füllen. Und mittendrin: Liliane Amuat. Mit abstehenden roten Zöpfen und reichlich Sommersprossen im lachenden Gesicht. Die perfekte Pippi. Eine singende, wirbelnde, tanzende Körperakrobatin. Das Timing von ihr und dem gesamten quietschfidel aufgelegten Ensemble ist schon bei der Premiere am Sonntagnachmittag auf den Punkt.

Bühnenbildnerin Viva Schudt hat sich Lindgrens Ansatz zu eigen gemacht: Statt auf überladene Kulissen setzt sie auf die Fantasie des Publikums. Bloß nicht zu viel vorgeben, lautet die Devise. Warum das Innere der Villa groß ausschmücken – wenn man einfach Geschirrgeklapper und Gerumpel vom Band abspielen kann. Gleich entstehen Bilder im Kopf, was in dem Haus vor sich gehen mag, das sich allein durch die Kraft der Fantasie mal in ein Schiff, mal in eine Zirkusmanege verwandelt. Auch das Sounddesign ist ein Fest fürs Vorstellungsvermögen. Da reicht es, dass Pippi bei einer Verfolgungsjagd ein Bein und die Arme anwinkelt wie Tom und Jerry kurz vorm Lossprinten, der passende Looney-Tunes-Ton dazu – und schon wirkt es, als würde sie schnell wie ein Blitz über die Bühne jagen.

Doch wer meint, auch Kleiner Onkel werde bloß mit Theatertricks herbeiimaginiert, erlebt an diesem Nachmittag die schönste Überraschung auf vier Hufen. Man möchte sie ja eigentlich noch gar nicht ausplaudern, doch weil die Pressebilder es ohnehin verraten: Mit einem Mal trabt tatsächlich ein echtes Pferd auf der Bühne ein. Großes Hallo und noch größere Augen bei den Mädchen und Buben, die aufgeregt auf ihren Stühlen herumrutschen. Man muss die jungen Zuschauer gar nicht direkt ansprechen und von der Bühne aus pädagogisch wertvoll Fragen an sie richten. Sie gehen angesichts der gelungenen Inszenierung von Sekunde eins an gebannt mit. Und wenn sich die beiden fiesen Polizisten laut selbst fragen, wo die Pippi denn jetzt schon wieder steckt, dann tönt es aus dutzenden zarten Kehlen: „Auf dem Dach!“

Daniela Kranz tut, was Astrid Lindgrens Text vorsieht: Sie nimmt ihr Publikum wohltuend ernst. Das hier ist keine überdrehte Albernheit, sondern eine empathische, lustige, kluge Auseinandersetzung mit allen Fragen des Zirkus, der sich Leben nennt. Ob Pippis Papa wirklich nicht ertrunken ist? Und wie es wohl ihrer Mama im Himmel geht? In stillen Momenten sehen wir Pippi zu ihren abwesenden Eltern sprechen und singen.

Um dann wieder umso munterer loszufegen. Was meint die nervige Frau Prysselius (wunderbar bieder: Barbara MelzI)? „Es hat keinen Sinn, mit dir zu reden.“ Pippis einzig folgerichtige Replik: „Lass uns lieber tanzen!“ Dazu nötigt sie auch die beiden Verbrecher oder die Polizisten, die Max Mayer und Delschad Numan Khorschid je mit äußerst viel Sinn für Komik und Slapstick geben. Mayer zaubert außerdem als stärkster Mann der Welt Groß und Klein ein Schmunzeln ins Gesicht.

„Wir müssen öfter herkommen!“, jubelt Tommy einmal. Stimmt. Ein bisschen Pippi tut uns allen gut.KATJA KRAFT

Nächste Vorstellungen

24., 30. November, 1., 7., 8., 13., 15., 16., 18., 26. Dezember; Tickets unter 089/ 21 85 19 40.

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