Botschaft? Es gibt Wichtigeres in dieser Performance für den neu gestalteten Werkraum: Szene mit (v.lil.) Anja Signitzer, Elias Maria Burckhardt und Antonina Gruse © Sima Dehgani
Diesmal sind die Zuschauerinnen und Zuschauer unschuldig: Das permanente Handyklingeln in den ersten fünf Minuten der Vorstellung gehört zur Inszenierung. Zum Trost schneit später dichtes Daunen-Gestöber aufs Publikum nieder, während im Video auf der Bühne eine Kissenschlacht tobt. Überhaupt ist es dem Kunst-Kollektiv „Frankfurter Hauptschule“ gelungen, mit dezenten Regie-Mitteln ein paar szenische Konturen zu ziehen bei dieser Performance für drei geschmacklos gewandete Darsteller, die einen absolut theaterfernen Text vortragen.
„2×241 Titel doppelt so gut wie Martin Kippenberger“ heißt betont linkisch diese Sentenzen-Litanei. Und auch wenn sie sich zeitgeistig tarnt als Reflex der chaotischen Meinungsflut, die ständig durch Soziale und sonstige Medien tost – in Wirklichkeit handelt es sich einfach um eine unterhaltsame Aphorismensammlung („Wenn man eine Villa von der Straße aus sehen kann, ist es keine Villa“). Genauer: um ein Konvolut von genialen bis peinlichen Geistesblitzen, von höherem und tieferem Blödsinn („Ist Hitlers Mörder ein Held?“), funkelnden Kalauern oder Albernheiten („Fluch der Akribik“) und bildungsgesättigtem Unfug („Le massacre du printemps“).
Wie bei aller Kunst in der Dada-Nachfolge besteht die Botschaft des Abends in der Verhöhnung jeder Botschaft, ja in der Feier der Irritation. Mehr geistige Revolte geht kaum in Zeiten wie diesen, da alles möglichst eindeutig sein soll, damit ja niemand „verunsichert“ werde. Folglich stellt so ein Hochamt der Ambivalenzen und Widersprüche gewisse Anforderungen ans Publikum: „Barrierefrei“ ist was anderes.
Aber insofern passte der Abend perfekt als erste Aufführung im neu gestalteten Werkraum. Der erinnert mit seinen blauen Kacheln nicht nur an ein Schwimmbad, sondern die Sitzstufen sind so hoch, dass man meinen könnte, hier solle eine darwinistische Selektion stattfinden: Mit „eingeschränkter Mobilität“ hätte man keine Chance, diese kunstvolle Installation eigenständig zu erklimmen. Aber weil die Kammerspiele ja Inklusion großschreiben, sind für die Lahmen und Siechen ein paar farblich abgesetzte Arme-Sünder-Bänkchen ebenerdig aufgestellt. Wie heißt es doch einmal im Text: „Meine Wunde ist meine Waffe.“ Tosender Applaus.ALEXANDER ALTMANN
Weitere Vorstellungen
am 12. und 13. Dezember;
Telefon 089/ 23 39 66 00.