„Ich dachte, meine Karriere ist vorbei“

von Redaktion

Andreas Prochaska über die schwere Geburt seines Gruselfilms „Welcome Home Baby“

Der Filmemacher Andreas Prochaska. © Arin Sangurai

Dezent unwohl fühlt sich Judith (Julia Franz Richter) in der österreichischen Provinz. © Petro Domenigg / Lotus / Senator

Willkommen zurück auf der Leinwand: „Welcome Home Baby“ ist Andreas Prochaskas erster Kinofilm seit seinem preisgekrönten „Das finstere Tal“ (2014) nach dem Roman unseres Autors Thomas Willmann. Morgen läuft die Produktion in Deutschland an. Eine Berlinerin (Julia Franz Richter) erbt darin unerwartet ein Haus in der österreichischen Provinz. Die Reise dorthin wird zum Bodyhorror-Trip der Seele. Willmann traf Prochaksa in Wien zum Gespräch.

Was war die erste Saat, aus der „Welcome Home Baby“ wuchs?

Es gab eine Begebenheit in meiner Jugend, wo ein Schulfreund ein Haus geerbt hatte, irgendwo in Südfrankreich, von einem Vater, den er nicht kannte. Er ist dann dorthin gefahren und hat Fotos von Knaben gefunden. Mir ist das immer im Hinterkopf geblieben: Wie muss das sein, wenn einer der Menschen, der verantwortlich dafür ist, dass du auf diesem Planeten bist, möglicherweise ein Monster ist?

Ich durfte im Entstehungsprozess ab und zu Häferlgucken. Von frühen Drehbuchfassungen zum Film hat sich viel radikal verändert…

Ich habe bei keinem Film so stark erlebt wie bei diesem, dass das Material ständig Eigenleben entwickelt. Es hat sich durch die Motivsuche und die Arbeit mit allen Gewerken nach und nach herausgeschält. Der Szenenbildnern Claus Amler hat das Projekt von der ersten Idee an begleitet. Ein total filmverrückter Mensch, der gefühlt 3000 Filme mehr gesehen hat als ich. Und der auch inhaltlich immer ein guter Sparringpartner war. Bevor wir noch ins Casting gegangen sind, habe ich mit Hauptdarstellerin Julia Franz Richter sehr intensiv über das Buch gesprochen. Ich als Mann wollte dieser Frauenfigur nichts überstülpen, womit Julia, die Gesicht und Herz des Films ist, nicht einverstanden ist. Mir war auch wichtig, dass der Blick durch die Kamera ein – was immer das heißt – „weiblicher“ Blick ist. Da kam von Carmen Treichl nicht nur eine künstlerische Energie, sondern eine große Sensibilität. Das Schlimmste sind „schöne“ Bilder – man sucht immer nach dem „richtigen“ Bild.

Auch im Schnitt ist dann noch viel passiert, oder?

Als ich den ersten Rohschnitt angeschaut habe, dachte ich, meine Karriere ist jetzt zu Ende. Bin wie ein geprügelter Hund durchs Haus geschlichen, und meine Frau hat dann gesagt: Jetzt zeig‘s doch mal her! Mein Sohn meinte am nächsten Tag, er hat nicht gewusst, ob er den Film gesehen oder geträumt hat. Da hatte ich das Gefühl, vielleicht ist es doch kein so Riesen-Topfen. Der Schnitt war dann ein Prozess der Verdichtung, Reduktion.

Also ziemlich das Gegenteil von wie damals beim „Finsteren Tal“…

Der Vorteil beim „Tal“ war, dass es eine Romanvorlage gab. Und man wusste, wohin es führt. „Das finstere Tal“ war ein sehr klarer Genre-Wurf. Bei „Welcome Home Baby“ gab es den Punkt, wo wir uns alle bewusst entschieden haben, klassische Erzählmuster ein bisserl hinter uns zu lassen und sehr stark auf „Erlebnis“, fast körperliche Erfahrungen zu setzen.

Was die Filme verbindet, ist das Thema der Herkunft.

Ja. Was mich immer wieder beschäftigt, ist Heimat und Tradition. In mir schlummert da so eine Mischung aus Abscheu und Sehnsucht. „Welcome Home Baby“ ist ein Film, wo die Heimat, in die sie zurückkehrt, kein sehr freundlicher Ort ist. Aber dass man Teil von etwas ist, mit dem man auf irgendeine Art untrennbar verbunden ist – das zu akzeptieren oder überwinden interessiert mich.

Ein Film über Geburt, der selbst eine schwere Geburt war…

Wo ich als Mann wie vor einem Rätsel stehe, ist: Was bedeutet es, dass ein anderes Leben in dir selber entsteht? Ich war zwar bei vier Geburten meiner Kinder dabei, aber da steht man halt nur daneben und hofft aufs Beste. Dieser Gewaltakt, ein anderes Wesen auf die Welt zu bringen, hat mich nachhaltig beschäftigt.

Kann man den Film auch als Psychose-Erfahrung sehen?

Vielleicht war ich während des Drehs selber am Rande einer Psychose. (lacht) Jeder Mensch kennt das doch: Du gehst von einem Zimmer ins andere, weil du irgendwas holen wolltest – und dann stehst du dort und weißt nicht mehr, warum. Dieses Gefühl zur Potenz versucht der Film zu erzeugen – und gleichzeitig aber eine Figur zu erzählen, die sich diesem Zustand nicht kampflos hingibt. Ich finde, wenn man mit einer Figur so viel erlebt, dann möchte man auch Hoffnung für diese Figur haben.

Wie haben Sie seit der Berlinale-Premiere den langen Weg des Films in die Welt erlebt?

Meine Erfahrung, über Grenzen hinweg, ist: Ein Teil des Publikums ist immer irritiert. Dann gibt es aber Leute, die gehen fast mit so einem Glühen aus dem Saal. Ich habe das Gefühl, Leute, die sich darauf einlassen, werden auch belohnt.

Artikel 6 von 11