„Ich möchte mit dem Buch aufwecken!“, sagt der Autor Stephan Werhahn. © Markus Götzfried
Der St.-Anna-Platz im Lehel zeigt sich von seiner schönsten Seite. Es ist einer der Lieblingsplätze von Stephan Werhahn, Enkel des ersten deutschen Bundeskanzlers, Konrad Adenauer: „Ich mag die Atmosphäre des Franziskanerklosters umringt von den zwei Kirchen.“ Der Platz liegt zwischen seiner Wohnung und seinem Büro. „Ich stärke mich hier immer gerne mit einem Cappuccino. Der ganze Platz hat so einen europäischen Touch.“
Europäischer Touch – das zieht den Juristen und Autor, der seit 18 Jahren in München lebt, besonders an. In seinem neuen Buch „Europas Resilienz für Frieden, Freiheit und Wohlstand: Strategien und Lösungen über Generationen hinweg“ plädiert er für eine Einigung Europas, mit dem Ziel, die lange vernachlässigten Themen Migration, Verteidigungsbündnis, EU-Außengrenzen und -Mitgliedschaften anzupacken.
Nun werden politische Bücher oft zum Zweck der Eigenwerbung, der Rechtfertigung oder eines Lebensresümees geschrieben. Das ist bei Stephan Werhahn anders. Der älteste Sohn der Adenauer-Tochter Libet ist parteilos und kann mit seinem geschichtlichen Hintergrund ganz andere Verknüpfungen schaffen zu den Herausforderungen unserer Zeit: „Ich möchte mit dem Buch aufwecken! Europa geht den Bach runter, und es ist mir wichtig, Brücken zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu schlagen.“ Sein Großvater war ein überzeugter Europäer. „Und das ist auch eine Haltung, die ich bei meinen Kindern wiederfinde, die auch in meinem Buch vorkommen.“
Stephan Werhahn schlägt mit seinem Werk einen weiten Bogen von den europapolitischen Impulsen seines Großvaters bis zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. „Die Menschen haben große Sorgen.“ Es gebe Kriege, Migrationswellen, Inflation, Klimaveränderung, die USA sei auch nicht mehr mit Sicherheit der Freund, und das Geld sei überall klamm. „Wir müssen endlich unsere Hausaufgaben machen und die Themen Rente, Pflege, Infrastruktur und Digitalisierung angehen. Zusammen mit den anderen Ländern.“
Für den leidenschaftlichen Europäer ist die Einigung Europas der Schlüssel zu Wohlstand und Sicherheit, was viel zu lange vernachlässigt wurde. „Es wird zu wenig gemacht. Die bürgerlichen Parteien streiten immer nur und auch die pazifistische Verzagtheit besonders in der Außenpolitik kritisiere ich.“ Es sei bis heute zu wenig passiert. „Und jetzt stehen wir da und wundern uns.“
Aber wie will er das ändern? Stephan Werhahn lacht: „Das verrate ich nicht, das steht in dem Buch.“ Etwa über München: „Ich finde München großartig, es ist einerseits bodenständig, andererseits weltoffen, und es soll auch bitte so bleiben, aber es hat ein Mobilitätsproblem. Wie lösen zum Beispiel Amsterdam oder Kopenhagen das Problem der urbanen Mobilität? Diese Städte haben Mobilitätskonzepte, von denen können wir lernen, und das steht unter anderem im Buch.“
Das Erbe seines Großvaters ist Stephan Werhahn heute wichtiger denn je, und er versucht es besonders an junge Menschen heranzutragen. Zuletzt an der Universität in Nancy, wo ihn die Studenten fragten, ob Europa überhaupt noch eine Chance habe. Seine Antwort: „Natürlich! Aber man muss schnell machen und jetzt reagieren und nicht mehr warten. Diese emotionale Dringlichkeit ist sehr gut bei den Studenten angekommen. Und hat hoffentlich wieder Mut gemacht.“DORIS KÖNIG
Stephan Werhahn:
„Europas Resilienz für Frieden, Freiheit und Wohlstand“.
Lau-Verlag, Reinbek, 258 Seiten; 22 Euro.