AUSSTELLUNG

Was wir nicht sehen

von Redaktion

„Iman Issa – Lass uns spielen“ im Lenbachhaus

„Selbstbildnis“ als Philosophin Alenka Zupančič.

„Two Women“ spielt auf Politisches an, davon erzählt der Begleittext – und lädt zur Assoziation ein. © Iman Issa (2)

Die Ausstellung „Iman Issa – Lass uns spielen“ im Münchner Lenbachhaus stürzt zunächst die Besucherinnen und Besucher in gehörige Verwirrung. Tatsächlich hat die ägyptische Künstlerin (1979 geboren), die lange in Berlin lebte und nun in Wien Professorin an der Akademie der Künste ist, ein Faible fürs Vexierspiel. Nichts von dem, was sie zeigt oder eben nicht zeigt, ist das, was wir sehen oder nicht sehen. Manchmal doch beziehungsweise beides zugleich. Issa ist trotzdem nicht darauf aus, uns zu dratzn. Sie schüttelt vielmehr die Gewohnheiten beim Museumsbesuch durcheinander. Immerhin bleibt im Café Kuchen auch Kuchen.

Mit Schönheit und Klarheit verwöhnen

Die Künstlerin kombiniert meist anmutige Eleganz, die als Lockstoff dient, mit Grausamkeit und Krieg. Der Schrecken ist in Texte gebannt, die an der Wand angebracht sind wie gewöhnliche Museumsschilder. Wenn wir also lesen, dass auf den zwei Fotografien einmal eine Frau aus dem Westjordanland im Jahr 2024 abgelichtet sei und eine andere Frau 1993 in Zagreb, dann finden wir (Genau!) keine einzige Aufnahme. Die aktuelle Politik und die historischen Fakten sind uns beim Lesen sofort klar. Optisch genießen wir hingegen eine zarte Skulptur, geformt aus dünnen, in Rot und Schwarz gefassten Metallstäben. Es ergibt sich eine Doppelfigur, denn die Umriss-Gestalten stehen nicht nur hintereinander, sie sind sogar miteinander verbunden.

Kuratorin Stephanie Weber erklärt, dass es die Fotos tatsächlich gebe. Solch explizites Material nutzte Iman Issa für eine frühe Arbeit, ein Video von 2007, zum Irakkrieg. Auch die hauchzarte Wandarbeit, die fürs Lenbachhaus entstanden ist, greift das Phänomen Krieg auf. So sehr Issa die Betrachtenden in Texten politisch packen will, so sehr will sie ihr Publikum mit skulpturaler Schönheit und Klarheit verwöhnen; ebenso mit Schlenkern hin zu ihrem altägyptischen Hintergrund. Das Hin-und-Her ist ihre Strategie bei „Lass uns spielen“. Augenzwinkern und Ernst, Erhabenheit und Selbstironie funktionieren bei ihr bestens.

Am schönsten in der Selbstporträt-Serie, die natürlich kein einziges Bild von Iman Issa präsentiert. Vom Grundkörper des Ovoids (analog zum Oval) geht sie aus. Mal in Schwarz, mal in Weiß. Klare Schnitte ins Rund werden gesetzt, sodass das „Gesicht“ heftig variiert. Durch die „Titel“ erfährt man beispielsweise „Selbstbildnis als Hannah Arendt“ samt, so Weber, einer authentischen Äußerung der Person. Das ergibt aparte Dialoge: Neben einem weißen Herzen (wenn man es so dechiffrieren will), in das ein kleines schwebt, liest man: „Self as Alenka Zupančič“ (slowenische Philosophin) und deren Witz: „Hier gibt’s keine Kannibalen. Wir haben den letzten gestern gegessen.“

Lenbachhaus-Chef Matthias Mühling weiß, dass Issa sich über „die Bürokratisierung der Kunst durch die Kunstgeschichte“, also die Beschilderung der Werke, lustig macht. Und freut sich daran. Allerdings kennt er unsere Sucht, irgendwelche Erklärungen in Ausstellungen finden zu wollen. Heißt im aktuellen Fall: Es sind neben den Schildern, die Kunst sind, zusätzlich museologische angebracht, wenn auch schüchtern versteckt. Allzu wild will man’s dann doch nicht treiben. Übrigens gibt es ein richtiges Ratespiel in der Schau: Verschwiemelten Fotos soll aus einer Auswahl der richtige Titel zugeordnet werden. Auch hier können harte Konfrontationen lauern.SIMONE DATTENBERGER

Bis 12. April 2026,

Di.-So. 10-18 Uhr; lenbachhaus.de; Katalog, Hirmer Verlag, im Museum 40, im Handel 45 Euro.

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