Wenn sittsame Nonnen dem Keuschsein entsagen, wenn Körpersäfte in allen Darreichungsformen gepriesen werden – dann ist Till Lindemann (Foto: Martin Hangen) mit seinem Dämonen-Stadl in der Stadt. Der umstrittene Rammstein-Sänger wollte auf seiner „Meine Welt“-Tour zeigen, dass das brachiale Stadion-Spektakel seiner Band auch im Kompaktformat der ausverkauften Olympiahalle funktioniert. Hat es aber nicht. Als Fazit nach einer eher matten Fetischrevue nur für Erwachsene bleibt: Lindemann schockiert routiniert.
Die meiste Aufregung verursachten nicht seine Grusel-Kabinettstückchen in der Halle, sondern die Begleiterscheinungen drumrum. Unter dem Motto „Till Lindemann die Bühne nehmen“ gab es Proteste – zumal der 62-Jährige ausgerechnet am „Aktionstag gegen Gewalt an Frauen“ in München auftrat.
In der Halle war die Lindemann-Geisterbahn dann zwischen „Blut, Schweiß und Trrrrränen“ überraschungsarm unterwegs. Nonnen im Fatsuit und altes Fleisch, Golden Showermärchen und die Tanzlehrerin, bei der sich „stöhn’n“ auf „schön“ reimt – kennt man alles. Auch seine Reise im Gummiball durchs Publikum und der abgefeuerte Fisch in „Fish On“ sind altbewährt. Empfindet man Ekel, oder findet man es erregend? Am Ende des regulären Sets mochte jedenfalls kaum jemand nach Zugaben rufen. Das passiert nicht oft bei großen Konzerten in München. Erst nach der Einblendung „Do you want more?“ auf der Videowand ging Tills Grause-Sause noch ein wenig weiter – doch da machten sich viele Fans schon auf den Heimweg. Ist Lindemann denn nun gut oder böse? In München war er vor allem: egal.JÖRG HEINRICH