Kunst mit KI-Tüpfelchen

von Redaktion

Stefan Hunstein zeigt seine Fotowerke in der Galerie Andreas Binder

„Deutschlandbild“ entstand mithilfe von Elfriede Jelinek – und KI. © Stefan Hunstein

Er spielt mit Wort und Bild: Stefan Hunstein. © kjk

Jetzt ist sie in der Welt, die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI). Und es hilft ja nichts – irgendwie müssen wir damit umgehen. Auch Stefan Hunstein, Schauspieler, Theatermann, Freund des Zaubers, der in der analogen Begegnung liegt. Mensch zu Mensch, so war das mal. Und heute: Kann man sich nicht mehr sicher sein, ob die Bilder, Videos, Texte, die einem in der digitalen Welt um die heißen Ohren fliegen, von einer Person aus Fleisch und Blut kreiert oder ob sie von einer KI berechnet wurden.

Auch Stefan Hunstein hadert damit. Aber weil er sich als Fotokünstler als einer versteht, der sich mit dem Medium Fotografie und all seinen Möglichkeiten auseinandersetzt, kommt er heute an der KI nicht vorbei. „In der Entwicklung der Fotografie gibt es verschiedene Sprünge, die man mitmachen muss. Der erste große Sprung war der von der analogen zur digitalen Fotografie. Der neue Schritt ist jetzt von der digitalen Fotografie zur KI. Das heißt, ich brauche, um ein Foto herzustellen, mittlerweile keine Kamera mehr. Ich kann sie mir mithilfe der KI aus dem globalen Netz ziehen und daraus etwas Neues schaffen. Das ist ein entscheidender Schritt“, formuliert es der 68-Jährige, als man sich in der Galerie Andreas Binder in München trifft.

Sie zeigt Hunsteins Werke aus mehr als 40 Jahren. Und weil Fotografie immer besonders nah dran ist an dem Moment, den sie festhält, ist diese Schau auch ein eindrücklicher Blick zurück. Samt hammerharter Gegenwartsreflexion. Gleich rechts neben der Eingangstür hängt sie, die neue Arbeit des Künstlers. Ein verstörendes Ensemble von neun Fotografien. Zum 8. Mai 2025, dem 80. Jahrestag des Kriegsendes, bat Hunstein Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek um einen Text zu diesem Anlass. Sie lieferte. Der Titel: „Ein Übertritt“. Darin beschreibt sie ihren Blick aufs Land von heute. Jelineks Worte hat Hunstein in die KI eingegeben. Mit seinen eigenen Gedanken verbunden. Herausgekommen ist dieses „Deutschlandbild“.

Es ist ein düsteres Szenario. Die Zerstörung der Umwelt spiegelt sich darin, ausgebombte Städte, geplünderte Bibliotheken, Hunde, die durch Ruinen streunen, halb Mensch, halb Tier. Gruselig. Wenn man dann noch um die Entstehung weiß, wird’s einem angst und bange. In welche Richtung setzt sich die technische Entwicklung fort? Und was macht das mit uns und der Welt?

„Wenn es darum geht, dass die Fotografie ein Fenster zur Wirklichkeit war, ist das vorbei. Das ist eine Tatsache, da kommen wir nicht umhin“, betont Hunstein. Dann blickt man zur Seite und sieht seine eindrucksvollen Eisbilder. Am Nordpol sind sie vor rund zwölf Jahren entstanden, mit ihnen hat er sich als Fotokünstler einen Namen gemacht. Sie waren poetisch gedacht – und sind politisch geworden. Durch die Tatsache, dass diese Riesen, die auf seinen Fotos unbesiegbar wirken, wegschmelzen wie Speiseeis. Schönheit der Welt, die verschwindet. Nun hat Hunstein sich Ausschnitte dieser Eisbilder genommen, sie digital überarbeitet, dass sie anmuten wie Malerei. Neuer Titel: „Traum vom Eis“. Weg vom Dokumentarischen, hin zu einem poetischen Rückblick auf etwas, das es mal gegeben hat.

Aber ist das nicht auch Verfälschung? Wieso die Sorge vor KI, wo doch seit Anbeginn der Fotografie mit den Mitteln der Verfremdung experimentiert wurde. Ein Lächeln. Dann der Verweis auf sein „Fotografisches Manifest“, das er bereits 1991 verfasst hat. Wie heißt es darin? „Das Objektiv ist nicht objektiv. Darum: statt Dokumentation Fiktion. Statt Sichtbarem Sichtbares. Statt Fotos Poesie.“ Und doch sieht er einen Unterschied im nächsten evolutionären Schritt hin zur KI: „Meine Fotografien bisher bezogen sich immer auf einen authentischen Moment. Nämlich den, in dem die Kamera ausgelöst wurde. Das heißt, welche Schichten auch immer bei der Bearbeitung dazu kamen: Unten drunter lag der Moment, in dem etwas aus der Wirklichkeit genommen wird. Das hat sich verändert, wir können es nicht mehr überprüfen.“

Was ihn viel mehr erfüllt, als die KI zu füttern, sind Werkreihen wie seine bezaubernden „Fairytales“. Ein Spiel mit Wort und Bild. Hier kommt für ihn, den Sprachliebhaber, beides zusammen: Er kombiniert märchenhafte Szenerien zu sinnlichen Texten von Dichtern. Und sofort springt das Kopfkino an. Plötzlich verändert sich der erste Eindruck, entstehen neue Assoziationen, wird das zweidimensionale Bild zu einem dreidimensionalen Raum. Unendlich wie die Fantasie des Betrachters. So auch der Titel der gesamten, höchst sehenswerten Schau: „Der Rest ist Poesie“. Wieder sein verschmitztes Lächeln. „Ich hab’s gerne, wenn’s poetisch ist, anregend, und es auch ein bisschen was Versöhnliches hat.“ Alles drei wird einem hier geschenkt.KATJA KRAFT

Bis 14. Januar

Knöbelstraße 27.

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