Tauschten Handynummern: Fritz Egner und Mick Jagger.
Fritz and Hits: Egner mit Tina Turner. © Egner / Privat (2)
Gab Anekdoten zum Besten: Fritz Egner mit Moderator Alexander Gernandt auf dem Podium. © Götzfried
Ein Leben für die Musik: Fritz Egner mit seiner Autobiografie. © M. Tinnefeld für Plassen Verlag.
Die Veranstaltung dauert bereits zwei Stunden, da schneit auch noch Wolfgang Fierek rein. Und er kommt wie gerufen. „Wie hieß gleich noch die Disco, in der du mir meinen ersten DJ-Job besorgt hast?“, fragt Fritz Egner vom Podium im Konferenzsaal des Hotels Vier Jahreszeiten. „Woaß i nimma“, antwortet Fierek. Es könnte die Alte Galerie gewesen sein. Jedenfalls hat Egner da jeden Montag Platten aufgelegt, für gerade mal fünf Herren im feinen Zwirn – doch die sorgten allwöchentlich mit ihrer Champagner-Zeche für mächtig Umsatz. „Wie sich herausstellte, waren das sehr angesagte Edel-Zuhälter“, sagt Egner. Und sie waren Fans des Senders AFN, bei dem er Musik spielte, noch weit davon entfernt, eine Moderatoren-Legende zu sein.
Das Zwielicht und das Rampenlicht, beides erhellt die Erinnerungen, die der 76-Jährige in seinem Buch „Mein Leben zwischen Rhythm & Blues“ zusammengetragen hat, das er an diesem Montagabend vor illustrer Gästeschar vorstellt. Wieder vorstellt, muss man sagen, denn es erschien bereits 2013, war aber längst vergriffen. Jetzt bringt der Plassen-Verlag es in erweiterter Ausgabe wieder auf den Markt.
Mehr als 400 Interviews hat Fritz Egner in seiner Karriere geführt. Alle geprägt von seiner Leidenschaft – vor allem für schwarze Musik – und von seiner zurückhaltend-verbindlichen Art. Nicht alle waren so denkwürdig wie das mit James Brown, an dessen Hotel-Suite er einst klopfte. „Im Türspalt erschien ein dunkles Gesicht“, erinnert sich Egner, „Lockenwickler im Haar und kein Gebiss im Mund. Ich dachte: Ah, die Putzfrau.“ Der Godfather of Soul selbst war‘s, und er war so angetan vom Deutschen, dass er ihm das James anbot, wohingegen sogar seine Band ihn mit Mr. Brown ansprechen musste.
Egners Schwester fixte ihn als Bub an, sie arbeitete bei einem Elektro-Handel mit Schallplattenabteilung. Als Klein-Fritz zum ersten Mal Little Richard schreien hörte, „da wusste ich: Ich bin auf dem Planeten angekommen, den ich immer gesucht habe“. Die Musik, die er liebte, wurde auf AFN gespielt, dem Sender für die US-Streitkräfte. Nach einer Lehre als Starkstrom-Elektriker jobbte er dort erst als Studiotechniker, und weil er „jede Sendeminute auswendig“ kannte, fragte man ihn, ob er sich nicht als Moderator bewerben will. Wollte er! „Das grenzte natürlich an Hochstapelei“, sagt er heute.
Aber es zeugte eben auch von echtem Interesse an der Musik, und genau das sorgte später dafür, dass ihm die Stars vertrauten: Er begegnet ihnen „auf Augenhöhe bzw. Ohrenhöhe“, wie sein Kollege Günther Jauch mal sagte. Egner hat Mick Jaggers Handynummer, Marvin Gaye ließ ihn einst das Demo eines neuen Songs anhören („ich fand ihn schrecklich, sagte aber aus Verlegenheit: Das wird dein nächster Nummer-eins-Hit. Wurde es auch: ,Sexual Healing‘.“) – und Diana Ross wurde sogar zutraulich. Sie entblätterte sich während eines Interviews, bis sie nur noch einen Hauch von Nichts trug. „Wäre das noch länger weitergegangen, würde ich jetzt vielleicht Fritz Ross heißen.“
Dass Egner neben seiner Zeit als Moderator beim Bayerischen Rundfunk sogar beim Fernsehen Erfolg hatte – Ende der Achtziger hatte er mit „Dingsda“ Traum-Quoten –, versteht er heute noch nicht so richtig. „Im Supermarkt fragte man mich, warum ich noch selbst einkaufe.“ Die Zeiten sind heute vorbei – nicht allerdings seine Treffen mit den Stars. Erst vor drei Jahren geriet Ex-Beatle Ringo Starr völlig aus dem Häuschen, als Egner ihm verriet, Jazz-Ikone Ella Fitzgerald habe mal einen Song über ihn geschrieben. „Jetzt hör ich aber auf“, unterbricht Egner seinen Anekdoten-Reigen. „Die letzte S-Bahn fährt ja gleich.“ Es ist das erste Mal, dass er ein kleines bisschen übertreibt.JOHANNES LÖHR
Fritz Egner:
„Mein Leben zwischen Rhythm & Blues“; Plassen-Verlag, 300 Seiten; 29,90 Euro.