Beliebtes Fotomotiv: In Düsseldorf entstand nach Gehrys Entwürfen der Neue Zollhof. © Matthias Balk
Hätte Frank Gehry sein Leben nicht der Architektur gewidmet, wäre aus ihm vielleicht ein erstklassiger Jazzmusiker geworden. Wie im Jazz leben Gehrys Bauten von oft wilden und schiefen Formen, von spontaner Eingebung und der Kunst der Improvisation. Weltweit hinterließ er seine unverkennbare Handschrift und setzte den allzu harmonischen, kantigen und klaren Bauten der Moderne seine Skulpturen in Form fantastisch geformter Häuser entgegen. Jetzt ist der Stararchitekt, wie bereits kurz berichtet, im Alter von 96 Jahren in seinem Haus in Santa Monica (US-Bundesstaat Kalifornien) gestorben.
Gehrys Bauweise begeisterte von Beginn an, weil sie den von der Designschule Bauhaus propagierten Gestaltungsgrundsatz „Form follows Function“ ins Gegenteil verkehrte – Form muss, wie Gehry zeigte, keineswegs der Funktion folgen. Die Form selbst kann einen Bau beherrschen und für sich Wirkung entfalten. So beim Guggenheim-Museum (1997) im spanischen Bilbao, einem dekonstruktivistischen, funkelnden Wunderwerk aus Glas, Titan und Kalkstein, und der Disney Concert Hall (2003) in Los Angeles, die zu Gehrys berühmtesten Projekten zählen. Die Fragmente dieser Gebäude wirken, einzeln betrachtet, unorganisiert und chaotisch und folgen doch einem Rhythmus.
Die Guggenheim Stiftung ehrte seine „visionäre Architektur“, die Städte auf der ganzen Welt verändert habe. „Gehry ist durch seine ikonischen Bauten im Medienhafen untrennbar mit unserer Stadt verbunden“, schrieb Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU). Im Jahr 1999 war in der Stadt am Rhein der von Gehry entworfene Neue Zollhof gebaut worden. Das Ensemble wurde zu einem der meistfotografierten Plätze Düsseldorfs.
Für seine Entwürfe zerknitterte Gehry Pappe oder zerriss Papier und klebte die Fetzen zusammen. Aus der ständigen Suche nach Wegen, um diese komplexen geometrischen Gebilde günstig und stabil in die Welt zu setzen, entstand Gehrys eigene Technologiefirma. Die erstbeste Idee zu verwenden oder nicht die bestmögliche Leistung abzuliefern, sei „nicht fair“, sagte er. Der Stararchitekt riet dazu, alle Projekte gleich zu behandeln: „Egal wie klein ein Projekt auch sein mag, behandle es, als sei es das wichtigste.“
Geboren wurde Gehry im Jahr 1929 als Ephraim Owen Goldberg im kanadischen Toronto. Seine Eltern waren jüdische Einwanderer aus Polen. Seine Großmutter und er hätten in seiner Kindheit mit Holzabfällen kleine Häuser und Städte gebaut. „Ich weiß nicht, warum sie das gemacht hat, aber es ist mein Leben geworden“, sagte er rückblickend. Aber es war viel mehr als nur Bauen, es war bildende Kunst mithilfe von Statikern, Ingenieuren, Designern und Investoren. Heute ist Gehrys Handschrift überall auf der Welt zu sehen.
Kritiker bezeichneten seine Bauten als sündhaft teure Spielereien eines Exzentrikers, der nur eine große Show hinlegen wolle. „98 Prozent dessen, was auf unserer Welt gebaut und entworfen wird, ist pure Scheiße“, sagte Gehry im Jahr 2014, als ein Journalist ihm diese Kritik vortrug: „Es gibt keinen Sinn für Design.“ So unberechenbar wie seine Bauten konnte der Mann eben manchmal auch selbst sein.J. SADEK