Ambitioniert zeigte sich Víkingur Ólafsson mit seinem Programm. © Ari Magg
Víkingur Ólafsson ist ein Mann der E-Musik – im doppelten Sinne: im klassischen Verständnis einerseits und weil sein neues Programm konsequent um den Ton E gebaut ist, in Dur wie Moll. Und in der Isarphilharmonie erweist es sich in noch einer dritten Hinsicht als „E“ – exzessiv, eindämmungslos, mitunter erschlagend.
Ólafsson spannt ein Netz zwischen Beethoven, Schubert und Bach, in dem weniger historische Linien als feine ästhetische Echo-Beziehungen aufscheinen. Dabei spielt er die Werke jeweils attacca – also ohne jegliches Absetzen aneinandergereiht. Es entsteht so ein einziger Strom, in dem man ohne genaue Werkkenntnis womöglich kaum wüsste, wo man sich gerade befindet.
Zu Beginn hebt der Isländer das E-Dur-Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier (I) in den Raum – schlicht, klar, fast glashell –, als wolle er den Abend erst einmal durchlüften, bevor er ihn verdichtet. Denn bald zeigt sich, wie das Ineinanderfließen der Stücke emotionale Resonanzen erzeugt – mit zunehmenden Folgen für die Gesamtdramaturgie.
Dafür verfügt Ólafsson über jene seltene Kombination aus klanglicher Raffinesse und analytischer Präzision, die große Pianisten auszeichnet. Im langsamen Satz von Beethovens Sonate op. 90 gelingen ihm hinreißend innige Linien, und Schuberts selten gespielter, fragmentarischer e-Moll-Sonate gibt er eine liedhaft-feine Kontur.
Der Abend leidet insofern weniger daran, dass einzelne Werke nicht überzeugend gestaltet wären. Aber ein großer Bogen stellt sich über fünf Stücke hinweg nicht ein, während aber die jeweilige Binnenarchitektur Schaden nimmt. Besonders Bachs Partita in e-Moll (BWV 830) steht hilflos im Raum. Womöglich greift er auch deswegen das bisweilen kontrapunktische Satzgewebe mitunter etwas zu insistierend an.
Spätestens hier tritt das Grundproblem des Abends offen zutage: Die Werke laden sich gegenseitig so stark emotional auf, dass die Spannung kaum zu halten ist. Der schwebende Beginn von Beethovens drittletzter Sonate op. 109 wirkt nach gut einer Stunde pausenlosen Flusses schwerfüßig, ja gewissermaßen vorbelastet, und der eruptive zweite Satz vermag seine Schlagkraft nicht mehr ganz zu entfalten.
Im abschließenden Variationssatz jedoch, den Ólafsson – der Satzbezeichnung entsprechend – mit „innigster Empfindung“ nimmt und durch das Hervorheben der Dur-Terz des Schlussakkords einen Moment fragender Schönheit öffnet, zeigt sich, was dem Abend letztlich fehlte: frische Luft. Es bleibt der Eindruck eines mutigen Konzepts, das sich an seiner eigenen Spannung überhoben hat.WILLI PATZELT