Eine selbstbewusste Frau: Tove Jansson, 1956. © Loppinen
Kult: die knubbeligen Mumins von Tove Jansson. © Literaturhaus München
Jetzt hätte man gern für einen Moment kürzere Beine, schmalere Hüften und kleinere Finger. Um das Leiterchen hinauf ins nächste Stockwerk klettern zu können. Denn das Heim der Mumins, es steht ab jetzt in München. Mittendrin im Literaturhaus. Und ein jeder kleine Besucher ab sechs Jahren darf hineinspazieren. Ausprobieren ausdrücklich erlaubt.
Da haben sie wieder gezaubert, die Könige im Atmosphäreschaffen. Einmal mehr hat das Gestaltungsbüro unodue{ architektur München den Ausstellungsraum des Hauses in eine völlig neue Welt verwandelt. Eine Mumin-Welt. Das Wort sagt einem nix? Das ändern wir. Projektleiterin Paula Vosse und ihr Team fangen bei Null an. Wollen uns nicht nur die Fantasiewesen vorstellen, sondern auch deren Erfinderin, die Künstlerin Tove Jansson.
Eine stolze Frau blickt einem auf Selbstporträts entgegen. Schon mit 15 war dem Mädel aus einer Familie voller Kreativer klar, dass eine „andere Berufsoption“ als Künstlerin für sie undenkbar war. Als Illustratorin, Malerin, Grafikerin und Schriftstellerin führte die Finnlandschwedin (1914-2001) ein höchst selbstständiges, freies Leben. Sie pfiff darauf, dass in ihrer Heimat Bi- und Homosexualität bis 1971 strafbar war – und lebte mit der Grafikerin Tuulikki Pietilä zusammen, von 1955 bis zu ihrem Tod. Ein Foto zeigt die sichtlich verliebten Frauen bei einer Weltreise, noch so eine Sache, die zu Janssons Lebzeiten alles andere als selbstverständlich war.
1945 erschien mit „Mumins lange Reise“ das erste Büchlein über die drolligen Gestalten auch in Deutschland. Man kann nachempfinden, dass Jansson damit einen Nerv traf, sich junge Leser und deren vom Krieg gezeichnete Eltern nach Geschichten wie diesen sehnten. Nach Muminmama und Muminpapa, nach Snorkfräulein und Schnupferich. Die alle so unterschiedlich sind – und doch eine Gemeinschaft.
Auf liebevolle Weise erweckt das Kuratorenteam die Philosophie von Jansson zum Leben. Es gilt im Grunde nur eine Regel, sie hängt in der Mitte des Raumes: „Im Mumintal passen alle aufeinander auf.“ In Miniatur haben sie es nachgebaut. Auch die kleine Holzbrücke, die Fans noch aus der Trickfilmserie der Siebziger kennen. Ein echtes Schiff liegt auf blauem Grund, ein Beamer sorgt für projizierten Wellengang. Hier können sich die jüngeren Besucher auf große Fahrt der Fantasie machen, während ihre Eltern sich an den Zitaten festlesen, die von der Decke hängen. Schauspielerin Xenia Tiling hat Geschichten aus der Muminwelt eingesprochen. Dazu Vogelgezwitscher, Wasserplätschern. Durch und durch idyllisch.
Doch das Leben ist eben nicht immer nur arkadisch. Auch das wollte Jansson ihren Lesern vermitteln. Denn wer um die Stürme, die aufziehen können, weiß, kann sich darauf vorbereiten. Janssons Texte sind bestes Stärkungsmittel. In einer Ecke ist ein schwarzes Zelt aufgebaut. Ein Tunnel führt hinein. Zu schmal, als dass Mama oder Papa mit hindurchkriechen könnten. Da müssen die kleinen Besucher im wahren Sinne des Wortes alleine durch. Drinnen im Zelt ist es dunkel, Schwarz-Weiß-Figuren geistern auf leuchtenden Bildern umher. Wer sich hineingetraut hat, krabbelt auf der anderen Seite strahlend hinaus. Überwindungsglück.
Die Schau tut, was Tove Jansson tat: Sie ermuntert Groß und Klein, den Mut zu haben, das, was man fühlt, nicht wegzudrücken. Immer tapfer drauf losgerobbt, mag der Tunnel auch noch so dunkel sein. Oder wie es Mumin formuliert: „Wie sollen wir je die Sonne wiederfinden, wenn wir uns nicht übers Meer trauen?“KATJA KRAFT
Bis 12. April 2026
täglich 11 bis 18 Uhr;
geschlossen am 24., 25. und 31.12 sowie 1. Januar.