Bis die Dämme brechen

von Redaktion

Esa-Pekka Salonen gastierte beim BRSO

Objektiv betrachtet ist die „Symphonie fantastique“ für den Herkulessaal ja eigentlich eine Nummer zu groß. Und dies nicht nur, was die Anzahl der Instrumente betrifft, für die es hier auf und hinter der Bühne schon ein wenig eng wird. Sorgen, dass einem das bombastische Stück um die Ohren fliegen könnte, musste man sich bei Esa-Pekka Salonen aber trotzdem nicht machen. Denn so zart und filigran, wie das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) schon in den „Rêveries“ des ersten Satzes auf ihn reagierte, war schnell klar, dass der Finne sein Pulver hier nicht zu früh verschießen würde. Salonen bot dem Publikum eine überaus strukturierte, dabei aber nie ins Schulmeisterliche verfallende Lesart. In der hoben sich Berlioz‘ „Szenen aus dem Leben eines Künstlers“ klar voneinander ab, ohne plakativ zu werden.

Der Maskenball atmete da etwa eine kühle Noblesse, nach der die folgende „Episode auf dem Land“ ihre tief empfundene Melancholie umso stärker entfalten konnte. Richtig brechen ließ Salonen die Dämme zum Glück erst beim „Gang zum Richtplatz“, der mit wuchtigem Blech in einer geradezu erschütternden Intensität hereinbrach. Ein akustischer Farbenrausch, der sich selbstverständlich auch im finalen „Hexensabbat“ fortsetzte, dessen groteske Elemente der Dirigent mit viel Fingerspitzengefühl herauskitzelte.

Diese sich klug steigernde Dramaturgie hatte sich vor der Pause bereits bei Maurice Ravels „Le tombeau de Couperin“ angekündigt. So etwa im eloquenten Austausch der Holzbläser, an den die Oboe und das Englischhorn im dritten Berlioz-Satz nahtlos anknüpften.

Was das Ausloten von Klangschattierungen betraf, erwies sich der schwedische Komponist Anders Hillborg als logische Ergänzung. Hier in Gestalt des „MAX Concerto“, das Salonen vor zwei Jahren in San Francisco mit Pianist Emanuel Ax aus der Taufe gehoben hatte. Ein Werk, das mit zehn Sätzen in gut 20 Minuten nicht nur formal betrachtet sehr filmisch anmutete. Wobei Widmungsträger Ax das effektvolle Spiel mit Kontrasten genoss und für seine Virtuosität mit Recht bejubelt wurde.TOBIAS HELL

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