Pflichtübung

von Redaktion

Bach-Chor mit dem Weihnachtsoratorium

Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium ist zum Jahresendspurt für viele ein fester Bestandteil ihrer Advents-Rituale. Zwei Stunden besinnlicher Musik, die einen in der meist gar nicht stillen Zeit noch einmal zur Ruhe kommen lassen. Abseits von Firmenfeiern, Krippenspielen oder der Jagd nach Last-Minute-Geschenken. Kurz gesagt – einfach ein Pflichttermin.

Umso bedauerlicher ist es allerdings, wenn eine Aufführung leider genau so klingt. Wie eine routinierte Pflichtübung. Gerade bei einer Truppe wie dem Münchener Bach-Chor und -Orchester, die den Meister selbst im Namen führt. Natürlich kennt und schätzt man sein Werk hier seit Generationen. Doch schon zum Auftakt trieb einem das diffus dahinwabernde „Jauchzen“ und „Frohlocken“ leichte Sorgenfalten auf die Stirn. Trotz breiter Tempi dauerte es nämlich eine ganze Weile, bis Dirigentin Johanna Soller die richtige Balance zwischen ihren beiden Klangkörpern gefunden hatte. Was zum Teil aber auch dem Raum geschuldet sein mochte.

Obwohl Passagen wie das „Ich steh an deiner Krippen hier“ später unglaublich zart gelangen, muss man nämlich selbst als Verteidiger der Isarphilharmonie eingestehen, dass die Akustik der Interimsspielstätte bei Vokalmusik schnell ihre Grenzen offenbart. Weshalb es auch die Solo-Stimmen teilweise schwer hatten, sich in Szene zu setzen. Während Johannes Kammler mit kräftigem Bassbariton die Flucht nach vorne antrat, wurde etwa Altistin Catriona Morrison in den tiefen Lagen oft zugedeckt. Souveräner dagegen Flore van Meersche mit ihrem engelsgleichen Sopran oder Daniel Johannsen, der wieder einmal einen prägnant artikulierenden Evangelisten gab.

So wirklich rund wollte die ganze Angelegenheit aber trotz solider Einzelleistungen nicht werden. Was sich unter anderem nach der zweiten Kantate zeigte, als Johanna Soller und die Konzertmeisterin munter weiterblätterten, obwohl der Rest des Orchesters bereits auf die hier angekündigte Pause eingestellt schien. Zweifellos eine amüsante Szene. Aber ein bisschen mehr Konzentration wäre im nächsten Jahr doch wünschenswert. Denn der Bach-Chor kann deutlich mehr, als er diesmal gezeigt hat.TOBIAS HELL

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