Asthma bekommen nur junge Menschen? Von wegen! Warum auch Ältere darunter leiden können und womit Asthma bei Senioren leicht verwechselt werden kann, erklärt Prof. Jürgen Behr, Direktor der Medizinischen Klinik V am Klinikum der Universität München in Großhadern und Chefarzt der Asklepios-Lungenfachklinik in Gauting.
-Kann man im Alter wirklich noch Asthma bekommen?
Selbstverständlich! Auch im Alter kann „Asthma bronchiale“ neu auftreten. Es kann aber auch bei Patienten, die in jüngeren Jahren schon Asthma hatten, wieder aufflackern. Es ist in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich stark ausgeprägt. Ein Asthmatiker bekommt also nicht im Laufe seines Lebens immer schwereres Asthma. Meistens verläuft die Erkrankung in Wellen.
-Wie oft kommt es vor, dass Senioren erstmals Asthma bekommen?
Das wissen wir nicht. In Deutschland sind etwa fünf Prozent Asthmatiker. Die größere Zahl entfällt auf das Jugendalter. In der Statistik gibt es allerdings einen zweiten Höhepunkt – im Alter. Jenseits des 65. Lebensjahres treten nochmals verstärkt Asthma und Allergien auf. Ein Grund könnte sein, dass das Immunsystem im Laufe des Lebens verschiedene Phasen durchläuft. In der Kindheit und im frühen Erwachsenenalter finden wir zum Beispiel eine Spitze für allergische Erkrankungen, die später abnimmt. Im höheren Alter könnte sich das immunologische Gleichgewicht noch mal verschieben, sodass Allergien und Asthma auftreten können.
-Was genau passiert bei einem Asthma-Anfall?
Asthma ist eine entzündliche Erkrankung der Bronchien, bei der die Atemwege besonders empfindlich reagieren. So können verschiedene Reize zur Verengung der Bronchien führen. Nehmen wir an, ein Patient kommt mit Tierhaaren, Pollen oder Hausstaub in Kontakt, wogegen er allergisch ist. Dann sind plötzlich viele allergieauslösende Stoffe da – und es kommt oft innerhalb von einigen Minuten, manchmal auch verzögert nach bis zu einer Stunde zu einer Verengung der Bronchien. Diese sind von ringförmigen Muskeln umgeben. Wenn sie sich zusammenziehen, werden die Bronchien eng – und der Patient bekommt schwerer Luft. Dann muss er gegen diesen Widerstand ankämpfen. Das kann länger anhalten, wenn er kein Medikament hat, das die Bronchien wieder erweitert.
-Kann man in dem Fall sogar daran sterben?
Gott sei Dank ist die Sterblichkeitsrate deutlich zurückgegangen, seitdem wir Medikamente haben, die Asthma kontrollieren. Es bleibt aber gefährlich. Denn: Wenn sich die Bronchien zusammenziehen, muss die Atemmuskulatur beim Atmen mehr arbeiten. Die Lunge überbläht sich, weil die Luft nicht mehr so leicht raus, beim Einatmen aber immer noch rein kann. Das kann sich aufschaukeln – bis der Patient auf der Intensivstation landet.
-Sind Asthmasymptome bei Älteren anders?
Bei älteren Patienten sind die Symptome schwerer zuzuordnen, weil sie oft viele zusätzliche Erkrankungen haben, die auch mit Luftnot oder Husten einhergehen. Im Grunde sind die Symptome aber gleich. Mein Eindruck ist, dass die richtig schweren Asthma-Anfälle im Alter seltener werden und eher Luftnot und Husten im Vordergrund stehen. Der Anfall kommt meist plötzlich und führt zu einer starken Luftnot mit pfeifenden Atemgeräuschen.
-Womit wird Asthma bei Senioren verwechselt?
Es gibt drei Möglichkeiten: Meistens wird Asthma mit Herzinsuffizienz, also Herzschwäche, oder mit Bluthochdruck verwechselt. Betroffene schieben Atembeschwerden auf den Kreislauf und Herzerkrankungen, obwohl ein anderes Problem zugrunde liegt. Als Drittes zu nennen wäre noch COPD. Gemeint ist eine chronische Bronchitis mit Bronchialverengung, die zu 90 Prozent bei Rauchern auftritt. Dann muss man schauen, ob eine Allergie vorliegt oder ob es eine Überempfindlichkeit der Bronchien gibt. Diese ist bei der COPD meist nicht so ausgeprägt wie beim Asthma.
-Wann sollte der Patient stutzig werden?
Vor allem dann, wenn er nachts oder in den frühen Morgenstunden Atemnot oder Atembeschwerden hat. Oder wenn zusätzliche Symptome wie Nasenlaufen oder tränende Augen auftreten …
-Wie gefährlich ist denn das Rauchen?
Es verstärkt den Schaden an den Bronchien und damit das Asthma. Darüber hinaus schlagen Medikamente schlechter an. Deutlicher ausgedrückt: Mit dem Rauchen aufzuhören, ist immer positiv – auch mit über 60. Ich sage meinen Patienten immer, dass der Körper nichts vergisst, was man ihm antut. So ist jede zusätzliche Zigarette eine weitere Schädigung.
-Wie wird Asthma im Alter behandelt?
Nicht grundsätzlich anders als in früheren Lebensabschnitten. Eine Basistherapie ist das inhalierbare Kortison. Im Vergleich zu Kortisontabletten ist diese Dosis um ein 1000-Faches niedriger und macht dementsprechend im Organismus keine Nebenwirkungen. Seit Einführung der inhalativen Kortisonpräparate hat sich Asthmasterblichkeit erheblich reduziert.
-Welche anderen Therapien gibt es noch?
Das Zweite sind Bedarfsmedikamente, die die Bronchien innerhalb von Minuten erweitern, indem sie die Bronchialmuskulatur erschlaffen lassen. Der Hintergrund: Die Lunge ist ja ein elastisches Organ. Ihre Fasern ziehen an den Bronchien, die sie offen halten. Erschlafft die verkrampfte Bronchialmuskulatur durch das Bedarfs-Medikament, ziehen diese elastischen Fasern die Bronchien automatisch auseinander – und der Patient bekommt innerhalb von Minuten wieder Luft.
-Ist das Risiko für Nebenwirkungen der Asthma-Medikamente im Alter stärker?
Im Grunde nicht. Die Medikamente, die wir verwenden, sind in der Regel inhalierbare Medikamente mit wenig Nebenwirkungen. Allerdings kann manchmal ein leichtes Zittern auftreten. Andere beeinflussen die Blasenentleerung bei Männern ungünstig. Hier sind Ältere naturgemäß häufiger betroffen.
-Manche Senioren nehmen viele Medikamente gleichzeitig. Was müssen sie bei Wechselwirkungen beachten?
Bestimmte Herz-Kreislauf-Medikamente, insbesondere Betablocker, können die Bronchien verengen. Denn Betablocker blockieren Rezeptoren auf der Oberfläche der Bronchialmuskulatur. Dadurch kommt es häufiger und verstärkt zu Asthma-Beschwerden. Einen spezifischen Husten können auch ACE-Hemmer auslösen. Das sind Medikamente, die gegen Bluthochdruck und bei Herzschwäche eingesetzt werden.
Das Gespräch führte Angelika Mayr.