Wenn Mann mal nicht kann, schluckt er eine blaue Pille – schon ist das Problem gelöst: Das hofften wohl viele, als vor 20 Jahren das Potenzmittel „Viagra“ auf den Markt kam. Unter diesem Markennamen war es ab Oktober 1998 auch deutschlandweit in Apotheken erhältlich. Heute können Männer mit Erektionsstörungen zwischen vielen Herstellern und Wirkstoffen wählen. Doch Tabletten sind nicht für alle die Lösung. Wie es im Bett wieder klappt, erklärt Dr. Thomas Stadler, Urologe und Sexualmediziner mit Privatpraxis in München.
Ist es bereits krankhaft, wenn Mann mal keine Erektion bekommt?
„Natürlich nicht. Dass es hier und da mal nicht so funktioniert, ist normal“, beruhigt Stadler. Zum Fall für den Arzt werden Erektionsprobleme, wenn sie häufiger auftreten. Doch was noch „normal“ oder bereits krankhaft ist, lässt sich so pauschal nicht sagen. Eine Orientierungshilfe bietet eine Definition medizinischer Fachgesellschaften. Von einer „erektilen Dysfunktion“ (ED) spricht man demnach, wenn es mehr als sechs Monate lang bei mehr als 70 Prozent der Versuche nicht zu einer Erektion kommt, die einen „zufriedenstellenden Geschlechtsverkehr“ erlaubt.
Wie viele Männer sind überhaupt betroffen?
„Viele Millionen“, sagt Stadler. Die erektile Dysfunktion ist die zweithäufigste sexuelle Störung beim Mann. Der Anteil der Betroffenen steigt mit dem Alter. So sind etwa die Hälfte der 60-Jährigen und etwa zwei Drittel der 70-Jährigen betroffen. Aber auch junge Männer sind immer häufiger unter Stadlers Patienten. Inzwischen betrifft jede vierte Neudiagnose laut „Ärztezeitung“ in einen Mann unter 40 Jahren.
Ist es nicht normal, dass es im Alter nicht mehr so gut klappt?
Das stimmt zum Teil. Im Alter verändert sich die Sexualfunktion. Der Körper bildet weniger Sexualhormone. „Beim Mann ist das aber ein eher schleichender Prozess, anders als bei Frauen in den Wechseljahren“, erklärt Stadler. Losgehen kann es schon ab etwa 40 Jahren. Der Testosteronspiegel sinkt dann nach und nach – und das wirkt sich auf die Erektion aus: Im Alter wird der Penis oft nicht mehr so hart und erschlafft früher. Und: Mit den Jahren leiden zudem immer mehr Männer an Erkrankungen, die sich auch negativ auf die Potenz auswirken.
Sollten ältere Männer also immer zum Arzt?
Nicht nur sie. Männer sollten nicht erst in Alter zum Urologen gehen, wenn etwa die Potenz leidet. Spätestens ab 45 Jahren sollte jeder Mann regelmäßig zur Vorsorge. Mit den Jahren wird das natürlich umso wichtiger. So sind Erektionsstörungen oft erstes Anzeichen einer unerkannten Erkrankung. „Wir Urologen nennen den Penis, der nicht mehr so funktioniert, darum oft scherzhaft Wünschelrute“, sagt Stadler. Das kann zum Beispiel eine Herz-Kreislauf-Erkrankung anzeigen: Ablagerungen in Blutgefäßen behindern die Durchblutung im Penis besonders früh. Die Gefäße darin haben nämlich nur einen Durchmesser von ein bis zwei Millimetern. Eine gute Durchblutung ist für eine Erektion aber wichtig.
Gibt es auch noch andere häufige Ursachen?
Viele sogar. So kann auch in jüngeren Jahren ein sehr niedriger Testosteronspiegel die Ursache sein. Fett-Stoffwechsel-Störungen und generell ein zu hoher Cholesterinspiegel fördern Ablagerungen in den Blutgefäßen im Penis. Die Gefäße leiden auch bei Diabetikern, besonders aber bei Rauchern. Letztere sind fast doppelt so häufig impotent wie Nichtraucher. Weitere Ursachen: eine gutartige Vergrößerung der Prostata und Funktionsstörungen von Nieren, Leber und Schilddrüse, zu viel Alkohol und Nebenwirkungen von Medikamenten.
Was ist mit Operationen?
Chirurgische Eingriffe im Beckenbereich sind ebenfalls eine häufige Ursache. Oft trifft es Krebspatienten, bei denen die Prostata mit umliegenden Lymphknoten entfernt wurde. Dabei ist es manchmal kaum zu vermeiden, dass Nerven und Blutgefäße verletzt werden, die für eine Erektion wichtig sind. Tabletten können manchen Patienten helfen, aber längst nicht allen. Es gibt aber einige alternative Methoden (siehe Kasten).
Warum sollte man bei Erektionsproblemen nicht zu lang abwarten?
Bei körperlichen Ursachen leidet immer auch die Psyche mit. Sie wirkt dann wie ein Verstärker der Probleme. „Je häufiger man Enttäuschungen erlebt, desto schwieriger wird es, da wieder rauszukommen“, warnt Stadler. Versagensängste und Leistungsdruck setzen einen Teufelskreis in Gang. „Klappt ja eh nicht“, denken viele Männer. Andere sind extrem darauf fixiert, dass es einfach klappen muss – „dann wirkt unter Umständen selbst ein hochdosiertes Medikament nicht“, warnt der Experte. Er empfiehlt dann eine psychologische Mitbegleitung.
Liegt es manchmal nur an Stress und Druck?
Vor allem bei jüngeren Patienten erlebt Stadler das sogar sehr häufig: Sie sind kerngesund, haben aber trotzdem Erektionsprobleme. Die Ursachen sind oft Leistungsdruck und Stress in Beruf und Alltag sowie Partnerschaftsprobleme. Eine hohe Konzentration an Stresshormonen im Blut kann eine Erektion nämlich verhindern. Stadler hat Patienten erlebt, bei denen schließlich schon ein Kuss der Partnerin Panik auslöste; weil er die Angst weckte, dass sie mehr will – und der Mann wieder „versagt“. In solchen Fällen sei eine psychologische Begleitung besonders wichtig, um diese erlernten Verhaltensmuster abzulegen. Tabletten allein helfen dann nicht, können aber eine Unterstützung sein. Der Grund: Sie können selbst keine Erektion erzeugen, aber diese immerhin verstärken und länger erhalten. Ein Erfolgserlebnis wird wahrscheinlicher. Das hilft, den Teufelskreis aus Angst und Versagen zu durchbrechen.
Was genau erwartet Männer beim Urologen?
Das Gespräch ist die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie. Offen zu reden gelinge Männern umso eher, wenn es dem Arzt gelinge, die richtige Atmosphäre zu erzeugen, sagt Stadler. Urologen mit sexualmedizinischem oder andrologischem Schwerpunkt haben besonders viel Erfahrung mit Betroffenen. Auf das Gespräch folgen meist Blut- und Urintests sowie eine urologische Untersuchung von Penis, Hoden und Prostata. Per Ultraschall misst der Arzt oft auch die Durchblutung im Penis. In einem Beratungsgespräch erfährt der Patient dann, wie er zu einem erfüllten Sexualleben zurückfindet.