Brennpunkt Blase: Hilfe bei Krebs

von Redaktion

Fast 30 000 Menschen pro Jahr erhalten hierzulande die Diagnose Blasenkrebs – mit steigender Tendenz im Alter. Doch wer ist gefährdet? Wie erkennt man die Erkrankung? Und: Wie steht es um die Chancen der Patienten? Ein Experte beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was sind erste Anzeichen für Blasenkrebs?

„Am häufigsten fällt Patienten eine Blutbeimengung im Urin auf, die mit bloßem Auge sichtbar ist“, sagt Privatdozent Dr. Boris Schlenker. Er ist Leitender Oberarzt an der Urologischen Klinik des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Der Urin ist bei Betroffenen rötlich oder bräunlich. Mediziner sprechen dann von einer „Makrohämaturie“. Sie verrät, dass es irgendwo im Harntrakt blutet. Die Ursache sollte man unbedingt von einem Urologen abklären lassen, rät Schlenker. Das gilt auch, wenn Betroffene keine Schmerzen haben – bei Blasenkrebs ist das oft der Fall. Und: Auch wenn bei Routinekontrollen beim Arzt wiederholt kleine, mit bloßem Auge nicht sichtbare Blutmengen im Urin festgestellt wurden, sollte dies weiter abgeklärt werden.

Was ist mit Beschwerden beim Wasserlassen?

Lässt sich die Blase schwer, nur in kleinen Portionen oder unter Schmerzen entleeren, kann auch das ein Hinweis auf Blasenkrebs sein. Beschwerden beim Wasserlassen können aber sehr viele andere Ursachen haben. Bei Schmerzen steckt vor allem bei Frauen oft nur eine Blasenentzündung dahinter. Auch Blasensteine können zu solchen Problemen führen. Zum Arzt sollte man in jedem Fall – zumal eben auch Blasenkrebs die Ursache sein kann, wenn auch sehr selten.

Gibt es Menschen, die besonders gefährdet sind?

Blasenkrebs tritt häufiger bei älteren Menschen auf. Bei Männern werden die meisten Diagnosen im Alter von 73 Jahren gestellt, bei Frauen liegt der Erkrankungsgipfel bei 76 Jahren. Insgesamt gebe es eine Zunahme der Erkrankungen im Alter, sagt Schlenker. Männer erkranken deutlich häufiger. „Sie sind ungefähr drei Mal so oft betroffen wie Frauen.“ Bei ihnen stehe Blasenkrebs heute an vierter Stelle der Neuerkrankungen an Krebs. Warum es Männer häufiger trifft? Eine Rolle spielt wohl, dass Faktoren, die das Krebsrisiko erhöhen, bei ihnen häufiger zutreffen.

Welche Faktoren erhöhen das Risiko zu erkranken?

„Der Hauptrisikofaktor für Blasenkrebs ist das Rauchen“, warnt Schlenker. Das sei vielen nicht bewusst. „Raucher denken meist nur an Lungenkrebs.“ Ein erhöhtes Risiko haben aber auch Menschen, die im Beruf mit bestimmten Farbstoffen, Leder- oder Gummiverarbeitung zu tun haben – oder hatten. Denn heute sind Arbeitsschutz-Maßnahmen in diesen Branchen viel strenger als früher. Manche Arbeiter kamen aber zu einer Zeit mit problematischen Stoffen in Kontakt, als man von dieser Gefahr noch nichts wusste. Sie sind oft längst in Rente, haben aber immer noch ein erhöhtes Risiko. Blasenkrebs ist übrigens eine anerkannte Berufserkrankung. Auch eine länger zurückliegende Strahlentherapie im Bereich des Beckens, die mit – aus heutiger Sicht – sehr hohen Strahlendosen durchgeführt wurde, sowie bestimmte Chemotherapeutika können das Risiko erhöhen, ebenso wie sehr häufige Blasenentzündungen.

Wie klärt man einen Krebsverdacht ab?

Im Gespräch fragt der Arzt nicht nur nach Beschwerden, sondern auch nach typischen Risikofaktoren. Mit einer Urinprobe lässt sich im Labor schnell klären, ob zum Beispiel eine Entzündung vorliegt. Im Urin finden sich auch Zellen der Blasenschleimhaut. Bei einer „Urinzytologie“ wird unter dem Mikroskop untersucht, ob darunter verdächtige Zellen sind. Meist wird der Arzt auch eine Ultraschall-Untersuchung durchführen. Erhärtet sich der Verdacht, folgt ein kleiner Eingriff: eine Blasenspiegelung. Sie dauert nur wenige Minuten. Der Urologe führt dabei eine Art dünnen, biegsamen Schlauch mit Kameraoptik durch die Harnröhre in die Blase. Damit der Patient keine Schmerzen hat, betäubt er das Gewebe meist mit einem speziellen Gel. Bei der Untersuchung kann der Arzt verdächtige Wucherungen auf einem angeschlossenen Bildschirm sehen.

Was passiert, wenn der Arzt etwas entdeckt?

Dann folgt eine weitere Blasenspiegelung, die unter Narkose durchgeführt wird. Dabei werden oberflächliche Tumore entweder mit einer kleinen Biopsiezange oder mit einer elektrischen Schlinge entfernt. Wird Strom hindurchgeleitet, lässt sich mit dieser Schlinge wie mit einem Skalpell schneiden und zugleich die Blutung stoppen. „Transurethrale Resektion“ nennt sich dieses Verfahren. Noch sicherer werde es, wenn man dabei einen Farbstoff einsetze, der spezifisch Tumorzellen in der Blase anfärbe. Das entfernte Gewebe wird im Labor untersucht.

Ist diese Therapie für alle Patienten ausreichend?

Nicht für alle, aber für die meisten. Bei rund 80 Prozent der Patienten sei der Krebs bei der Erstdiagnose wenig aggressiv oder wächst sehr oberflächlich in der Blasenschleimhaut. Dann lässt sich der Tumor meist über die Harnröhre entfernen. Betroffene hätten eine „sehr gute Prognose“, sagt Schlenker. Das Risiko, dass sich der Krebs im Körper ausbreitet, ist also gering. Allerdings bilden sich oft neue Tumore in der Blase, die sich dann aber mit dem gleichen Verfahren entfernen lassen. Regelmäßige Nachkontrollen sind daher sehr wichtig. Ergänzend wird manchmal eine „Instillations-Therapie“ eingesetzt. Dabei werden u. a. Tuberkel-Bakterien in die Blase gespritzt. Sie lösen einen Entzündungsreiz aus, der das Immunsystem lokal gegen Krebszellen aktivieren soll.

Welche Therapien helfen bei späteren Stadien?

Ist der Tumor tiefer in die Blase eingewachsen, hat er also bereits die Muskelschicht erreicht, oder ist er sehr aggressiv, ist in der Regel eine Operation nötig. Dabei wird die gesamte Blase entfernt. Sind Patienten zu alt oder krank für so einen Eingriff, ist auch eine Strahlentherapie denkbar. Haben sich bereits Metastasen gebildet, hat der Tumor also gestreut, brauchen Patienten zudem eine Chemotherapie. Derzeit wird außerdem in Studien untersucht, wie gut Immuntherapien die Therapie ergänzen oder ersetzen können.

Wie lebt man ohne Blase?

Auch wenn die Blase entfernt wurde, bilden die Nieren weiter Urin, sagt Schlenker. Um ihn abzuleiten, gebe es viele Möglichkeiten. So kann der Arzt aus einem Stück Dünndarm einen Ersatzspeicher für den Urin schaffen. Das ist meist eine „Neoblase“, die an die Harnröhre angeschlossen wird. Oder auch: ein „katheterisierbarer Pouch“, den der Patient über einen kleinen Zugang regelmäßig selbst per Katheter entleert. Alternativ können sich Patienten für ein „Urostoma“ entscheiden.

Was ist ein Urostoma?

Das ist quasi das Gegenstück zum künstlichen Darmausgang: Der Urin wird dabei von der Niere durch die Harnleiter und ein zwischengeschaltetes Darmstück über eine Öffnung in der Haut, dem „Stoma“, entleert. Von dort fließt er in einen Beutel, den der Patient am Körper trägt und regelmäßig leert. Die meisten Patienten kämen sehr gut damit zurecht, sagt Schlenker. „Es riecht nicht, ist gut zu pflegen und macht wenig Probleme.“ Unter der Kleidung fällt der Beutel auch nicht auf. Trotzdem entscheiden sich vor allem Jüngere oft für eine Neoblase. Sie nehmen dafür den größeren Eingriff in Kauf – ebenso, dass es anfangs oft etwas dauert, bis es auch mit der Kontinenz wieder richtig klappt.

Interview: Andrea Eppner

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