Mit dem Kochlöffel den Krebs bekämpfen

von Redaktion

„Der Mensch ist, was er isst.“ Die These des bayerischen Philosophen Ludwig Feuerbach interpretiert der Münchner Krebsspezialist Volkmar Nüssler neu. Der Hobbykoch macht mit seiner Küche „Stark gegen Krebs“ gesundes Essen schmackhaft. Versprochen: Der Genuss kommt dabei garantiert nicht zu kurz.

VON STEPHANIE EBNER

Gutes Essen ist ihm eine Herzensangelegenheit. Nicht nur anlässlich des Weltkrebstags in der kommenden Woche. Von Jugend an steht der gebürtige Dresdner in der Küche. Immer auf der Suche nach neuen kreativen Gerichten. Sein Vorbild ist der israelisch-britische Koch Yotam Ottolenghi. „Vegetarische Küche kann so spannend sein“, schwärmt Nüssler, in seiner Küche stehend. Denn ganz klar: „Wir essen viel zu viel Fleisch. Das ist nicht gesund.“ Volkmar Nüssler ist überzeugt: Mit einer gesunden, ausgewogenen Ernährung kann man aktiv etwas gegen Krebs tun.

Den Feinschliff in der Küche hat sich Volkmar Nüssler beim Sternekoch Hans Haas geholt, den er mittlerweile einen „guten Freund“ nennt. „Zunächst bin ich völlig widerwillig in die Kochschule gegangen, die ich geschenkt bekommen hatte“, räumt der Mediziner seine anfängliche Skepsis ein. Heute hängt das Koch-Diplom gut sichtbar in seiner Küche. „Man lernt nie aus.“

Erste Erfahrungen sammelte Nüssler schon früh in der Küche. „Schon mit 14 Jahren habe ich gerne gekocht, damals in der DDR.“ Das war notwendig. Die Eltern waren berufstätig. Er entwickelte aus alten Käseresten einen Aufstrich, ohne zu wissen, dass der Obatzda ein bayerisches Nationalgericht ist.

Nach dem Abitur bekam Volkmar Nüssler einen Medizin-Studienplatz, „ich hätte eigentlich viel lieber Biologie studiert“. Doch ihm blieb keine andere Wahl. „Aus heutiger Sicht ein Glücksfall“, wie er selbst sagt. „Im Tumorzentrum habe ich meine Berufung gefunden.“

Volkmar Nüssler ging zum Studium nach Ost-Berlin. „Das war beinahe wie die große weite Welt. Ein Hauch von Freiheit. Dort konnte man West-Fernsehen empfangen.“ Das Glück währte nicht lange: Volkmar Nüssler musste nach dem Physikum zurück nach Dresden. „Das hat mir gar nicht gefallen.“ Dem jungen Mann gelang es nicht mehr, sich in das starre System zu integrieren. Die Stasi hat ihn in dieser Zeit ständig beobachtet – „das habe ich hinterher in meiner Akte gelesen“.

Irgendwann ist ein himmelblauer Trabbi vorgefahren und hat ihn mitgenommen. Die Eltern wussten wochenlang nichts von seinem Verbleib. „Zum Glück war es nicht Bautzen“, sagt Volkmar Nüssler heute. Das Staatsgefängnis dort war wegen seiner Brutalität berüchtigt.

Volkmar Nüssler hatte Glück. „Die BRD hat mich freigekauft.“ Mit einem Bus kam er 1981 im Westen an, bis er seine Eltern wiedertraf, vergingen Jahre. Noch vor dem Mauerfall haben sie sich im Sommer 1989 in Prag gesehen – „auch bei dieser Begegnung waren wir ständig unter Beobachtung“.

Er hegt keinen Groll, Volkmar Nüssler sagt über seine Zeit im Staatsgefängnis: „Dort habe ich soziale Kompetenz gelernt.“ Er hat aus der Vergangenheit das Beste gemacht. In München gelang es dem jungen Mediziner, sein Studium wieder aufzunehmen, er machte seinen Doktortitel und habilitierte später. Heute ist er Vorstandsmitglied des Tumorzentrums München.

Das Tumorzentrum ist ein Vorbild an gelebter Interdisziplinarität und es gibt Hilfestellungen, mit dem Thema Krebs zu leben. „Die Diagnose Krebs verändert das Leben von einer Minute auf die andere.“

Die richtige Ernährung ist in dieser Zeit wichtig für die persönliche Lebensqualität. Volkmar Nüssler hat deshalb Spitzenköche um abwechslungsreiche Rezepte gebeten. Denn Ernährung habe einen großen Einfluss auf Entstehung und Verlauf von Krebserkrankungen. „Es ist bekannt, dass Krebserkrankungen nur zu maximal zehn Prozent genetisch bedingt sind“, sagt der Medizin-Professor.

Später, am schön gedeckten Tisch, sind die Speisen nicht nur schmackhaft, sondern ein Genuss. So soll es ja auch sein. Der Mensch ist schließlich das, was er isst.

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