Schluss mit den Schmerzen!

von Redaktion

Bei einem medizinischen Problem den Spezialisten fragen? In der Rubrik „Stiefs Sprechstunde“ haben Sie die Chance dazu. Diese wird so gern genutzt, dass wir den Antworten auch heuer vier Sommerseiten widmen – heute mit Dr. Ariane Burtscher: Sie weiß Rat bei chronischen Schmerzen.

Leserin, 75: In meinem Alter habe ich öfters hier und dort Schmerzen. Nun habe ich gelesen, dass Schmerzen chronisch werden, wenn sie lange anhalten. Muss ich mir Sorgen machen?

Vermutlich nicht. Dazu müsste ich mehr über Dauer und Art der Schmerzen wissen. Allgemein ist es so: Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn die Beschwerden dauerhaft für mindestens drei bis sechs Monate bestehen oder wiederholt auftreten. Typisch ist zudem, dass der Schmerz keine Warnfunktion mehr hat. Denn Schmerzen haben ja eigentlich eine wichtige Funktion: Der Körper signalisiert, dass Sie etwa tun sollen – etwa schnell die Hand von der heißen Herdplatte nehmen oder das verletzte Bein schonen. Im Gegensatz zu akuten sind chronische Schmerzen eher wie eine schlechte Angewohnheit: Der Schmerz ist vom Symptom zur eigenständigen Krankheit geworden.

Leserin: Ich habe schon lange Schmerzen. Kann es sein, dass mein Körper dadurch ein „Schmerzgedächtnis“ entwickelt hat?

Dieser Begriff wird zwar oft gebraucht. Er beschreibt die Zusammenhänge meiner Ansicht nach aber nur unzureichend. Diese sind viel komplexer: Chronische Schmerzen entstehen als Wechselwirkung zwischen Nerven- und Immunzellen sowie chemischen Botenstoffen. Ob Schmerzen chronisch werden oder nicht, darüber entscheidet ganz wesentlich auch, welche Schmerzerfahrung der Einzelne in seiner jeweiligen Lebensgeschichte gemacht hat. So verstärken sich Schmerzen im Alter oft, wenn auch die Bewegungseinschränkungen zunehmen. Dann sollten Sie gegensteuern und versuchen, beweglich und fit im Geist zu bleiben. Damit Sie noch viel Freude am Leben haben, sollten Sie alles tun, was noch geht.

Leserin, 55: Ich habe oft Bauchschmerzen. Hausarzt und Gastroenterologen haben keine Ursache gefunden. Sie vermuten, dass Stress der Auslöser ist. Tatsächlich wird mir oft alles zu viel. Was tun?

So wie Sie das beschreiben, könnte Ihnen eine „multimodale Schmerztherapie nach dem biopsychosozialen Modell“ helfen. Dabei werden nicht nur die körperlichen Symptome berücksichtigt, sondern auch die psychische Beeinträchtigung sowie soziale Faktoren mit einbezogen. Am besten stellen Sie sich dazu in einer Schmerz-Sprechstunde vor und lassen sich beraten. In der Therapie lernen Sie nicht nur Entspannungsverfahren. Sie lernen dabei auch, sich Auszeiten vom Alltag zu nehmen. Hilfreich ist auch ein Coaching in Form einer ambulanten Psychotherapie. Das kann Ihnen helfen, Ansätze und Ideen zu entwickeln, die zu Ihrer persönlichen Situation passen.

Leser und Leserin, 82: Unser Enkel (7 J., 2. Klasse) wirkt gesund und fröhlich, hat aber alle drei, vier Wochen heftiges Kopfweh mit Erbrechen – laut Kinderarzt Migräne. Wir sind besorgt: Sind doch weitere Untersuchungen sinnvoll?

Für eine genaue Abklärung ist es sinnvoll, ein Kopfschmerztagebuch zu führen. Darin tragen die Eltern Art und Stärke der Beschwerden ein, aber auch mögliche Auslöser. So kann der Arzt Zusammenhänge erkennen und individuelle Stressauslöser finden. Eine genaue körperliche Untersuchung gehört natürlich auch dazu, gegebenenfalls eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Kopfes. Um eine Migräne in den Griff zu bekommen, sollte Ihr Enkel Entspannungsverfahren lernen. Sie helfen, besser mit Stress-Situationen umzugehen. Ausdauersport und sanfte Sportarten wie Qi Gong und Tai Chi helfen, einen Ausgleich zu schaffen. Auch Sie als Großeltern können helfen – etwa, indem Sie sich gemeinsame Auszeiten mit Ihrem Enkel nehmen.

Leserin, 65: Bei chronischen Schmerzen sollen auch Achtsamkeitsmeditation und Kunsttherapie helfen. Wie wirkt das?

In der Therapie versucht man, dem Schmerz auf verschiedenen Ebenen etwas entgegenzusetzen: Dazu gehört etwa Ablenkung. Wichtig ist es auch, vorhandene Ressourcen und versteckte Talente hervorzuholen. Viele Patienten fühlen sich weniger hilflos, wenn sie merken, dass sie selbst aktiv gegen den Schmerz werden können. Am besten erreicht man das interdisziplinär, durch die Expertise verschiedener Berufsgruppen wie etwa Kunst- und Musiktherapeuten.

Leser, 56: Ich hatte einen Unfall mit vielen Knochenbrüchen. Von weiteren OPs wurde mir abgeraten. Ich habe aber Schmerzen im Bein, nehme daher oft Schmerzmittel. Kann ich davon abhängig werden?

Je nach Art der Arzneien können Schmerzmittel bei längerer Einnahme körperlich abhängig machen. Dabei kommt es aber nicht zu einer psychischen Abhängigkeit. In jedem Fall ist bei einem so komplexen Schmerzgeschehen wichtig, Art und Dosis der Medikamente gut einzustellen. Dafür kommen nicht nur Schmerzmittel infrage, sondern auch andere Arzneien. In die Therapie sollten zudem belastende Faktoren wie Schlaf und Stimmung einbezogen werden – eine solche multidimensionale Sicht ist wichtig, da Schmerz von vielen Faktoren abhängt.

Leserin, 73: Durch Metastasen in der Wirbelsäule habe ich starke Rückenschmerzen. Die Dosis meiner Schmerzmittel musste erhöht werden. Wirken sie bald gar nicht mehr?

Ärzte orientieren sich bei der Wahl des Wirkstoffes an einem Stufenplan der WHO: Zuerst versucht man Mittel der Stufen eins und zwei. Reicht das nicht, kommen Arzneien der Stufe drei in Betracht, zu denen zum Beispiel Morphine und Fentanyl gehören. Bei dieser Medikamentengruppe kann es mit der Zeit zu einem Gewöhnungseffekt kommen. Musste die Dosis erhöht werden, kann das auch daran liegen, dass der Wirkstoff von Ihrem Körper schneller verstoffwechselt wird als bei anderen Menschen – das ist bei jedem anders. Sie sollten zudem wissen, dass es nicht nur viele verschiedene Schmerzmittel gibt. Oft ist es sinnvoll, diese mit anderen Medikamenten zu kombinieren, die keine reinen Schmerzmittel sind – gerade bei längerer Einnahme. Das reduziert Nebenwirkungen und das Abhängigkeitspotenzial. Denn bei Schmerzpatienten ist das Nervensystem sensibilisiert, die Toleranzschwelle steigt. Was immer wichtig ist: Zusätzlich zu den Medikamenten sollten Sie sich körperlich betätigen, Auszeiten nehmen und es vielleicht sogar mit Genusstraining versuchen.

Leser: Meine Mutter (82) ist dement. Ich habe aber oft das Gefühl, dass sie starke Schmerzen hat, etwa wenn sie das Gesicht verzieht. Sie hat seit Langem Osteoporose, wurde schon operiert. Was hilft?

Es ist gut, dass Sie auf solche Anzeichen achten. Eine Demenz macht es nämlich noch schwerer, Schmerzen zu erkennen und zu beurteilen. Spezialisten hierfür gibt es in geriatrischen Einrichtungen, eventuell auch speziell für Demenzpatienten. Was Sie noch wissen sollten: Manche Medikamente gegen Schmerzen können die geistige Leistungsfähigkeit zusätzlich beeinträchtigen.

Zusammengestellt von A. Eppner

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