Oma, Opa und die „Bonus-Großeltern“

von Redaktion

Heute haben Kinder oft nicht vier, sondern sechs bis acht Omas und Opas – „Bonus-Großeltern“. Wenn Mama oder Papa noch mal heiraten, gibt es eben eine größere Familie: „Patchwork“. Aber was bedeutet das für die Großeltern? Worauf müssen sie achten? Unser Ratgeber.

VON NORA REINHARDT

Wo ein Kind früher von seiner „Cousine“ erzählte, spricht es heute schon mal von „der Tochter der Freundin vom Bruder von Papas früherer Frau“. Und wo ein Kind früher höchstens vier Großelternteile hatte, haben Kinder heute schon mal sechs bis acht Omas und Opas. Von „Bonus-Großeltern“ spricht man dann oft. Ein Kind bekommt Bonus-Großeltern, wenn der leibliche Vater mit einer neuen Frau eine Familie gründet; oder wenn die leibliche Mutter eine neue Familie gründet; oder wenn ein lesbisches Paar mit einem schwulen Paar ein Kind bekommt; oder wenn die verwitwete oder geschiedene Großmutter noch einmal heiratet. Die Zahl der Großeltern potenziert sich jedenfalls schnell.

In größeren Städten leben heute zwei Drittel der Kinder in „Patchwork“-Konstellationen: Bei 20 von 30 Schulkindern sind diese Familiengeflechte Alltag. In dieser Zeit des Umbruchs können Oma und Opa ein wichtiger Anker sein, vor allem für Scheidungskinder. Sie haben die Chance, ihren Enkeln ein unbekümmertes Familienleben zu schenken – und damit die Trennung zu entschärfen.

Aktuelle Studien zeigen, dass der Kontakt zu den Großeltern mütterlicherseits nach einer Trennung meist intensiver ist und der Kontakt zu den Großeltern väterlicherseits abnimmt. Nur, wie teilt man die Zeit unter den Großeltern gerecht auf? Soll man zwischen biologischen und den „Bonus-Großeltern“ unterscheiden? Und: Wie stellt man sicher, dass das Kind nicht überfordert ist? Dr. Barbara Friehs ist Autorin des Buches „Patchwork-Traum(a)“ und forscht an der Universität Graz zu Erziehungs- und Beziehungsthemen. Hier beantwortet sie die wichtigsten Fragen.

Mir wird Zeit mit meinem Enkel verweigert. Kann ich rechtlich etwas dagegen tun?

Wenn der Umgang dem „Wohl des Kindes“ dient, dann kann man sich das Recht auf seine Enkel einklagen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 1685, Absatz 1, heißt es: „Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient.“ Allerdings muss man seinen positiven Einfluss auf das Wohl des Kindes vor Gericht erst mal nachweisen. Und die Verschleppungstaktiken von Eltern gibt es nicht nur bei Scheidungskindern, sondern auch bei Scheidungsenkeln.

Sollten Enkel zwischen leiblichen und „Bonus-Großeltern“ unterscheiden?

Zwischen leiblichen und nicht-leiblichen Großeltern zu unterscheiden, ist nicht gut – niemand soll ausgeschlossen werden. Besser ist es, offenzulassen, wer zur Familie gehört und wer nicht. Wenn möglich, sollte man den Familienrahmen nicht zu eng gestalten und lieber viele Personen zulassen. Das (Enkel-)Kind kann dann selbst entscheiden. Unser Tipp: das (Enkel-)Kind die Familie malen lassen.     „Wer ,Oma’ und ,Opa’ und wer beim Vornamen genannt wird, ist Verhandlungssache“, sagt Expertin Friehs. Keineswegs haben nur die biologischen Großeltern ein Recht darauf, sondern auch die nicht-leiblichen. Genauso gilt aber: Nicht jeder angeheiratete Großelternteil will überhaupt eine Großelternrolle übernehmen. „Bonus-Großeltern“ sollten ihre Wünsche diesbezüglich klar formulieren.     Hat ein Enkel einen Opa oder eine Oma erst mal ins Herz geschlossen, kann der Kontakt auch über eine Trennung und eine weitere Heirat fortbestehen bleiben. „Eltern sollten Dinge zulassen, die dem Kind guttun, auch wenn es ihnen selbst viel abverlangt, weil sie verletzt sind“, sagt Autorin Friehs. Darauf dürfen betroffene Großeltern auch hinweisen. „Jeder Erwachsene, der einen guten Einfluss auf das Kind hat, ist positiv!“

Sollte man die Zeit mit den Großeltern gerecht aufteilen – oder darf das Kind entscheiden, auf wen es wie viel Lust hat?

Es gibt arme Großeltern, reiche Großeltern, fitte Großeltern und gebrechliche Großeltern. „Allein aus pädagogischen Gründen sollte man die Zeit gerecht aufteilen“, sagt Friehs. Denn sonst besteht die Gefahr, dass das Enkelkind immer die Oma wählen wird, mit der es Bungeejumpen gehen, teures Spielzeug kaufen und so viel Pommes essen kann, wie es möchte. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die „Lieblingsoma“ sollte nicht beleidigt sein, wenn das Enkelkind mal auch mit den anderen Großelternteilen öfter mal was macht.

Wie viel Zeit ist denn angemessen?

„Man kann die aktuelle Rechtssprechung als Maßstab nehmen. Vier bis fünf Stunden alle vier Wochen sind für die Großeltern vorgesehen – also etwa ein Samstagnachmittag pro Monat“, so Expertin Friehs. Es sollte feste Absprachen geben, die aber nicht zum Zwang werden dürfen! Der Enkel oder die Enkelin sollen nicht das Gefühl bekommen, dass sie herumgereicht werden. Sie haben auch ein Recht auf Spielzeit mit Freunden und der Kernfamilie. Das müssen alle Großeltern akzeptieren.

Woran merkt man, dass es dem Kind zu viel wird?

„Das Kind spricht in der Regel aus, wenn es keine Lust auf etwas hat. Hören Sie auf das Kind und machen Sie den Familienmitgliedern klar, dass das Kind überfordert ist“, rät Friehs Eltern und Großeltern. Wer seine Enkel liebt, versteht das. „Eine große Gefahr ist, dass Großeltern beleidigt sind oder sich zurückgesetzt fühlen.“ Das sollten sie ansprechen – und mit den eigenen Kindern Lösungen finden, wie es am besten für alle gehen kann.

Und wer bekommt Weihnachten?

In dieser Frage sind sich selbst Familientherapeuten uneinig. Weihnachten ist das Fest, das einen sehr hohen Stellenwert und damit eine symbolische Wirkung hat. „Am besten ist es, dass alle zusammen besprechen, wie man die Feier handhaben möchte“, sagt Autorin Friehs. Einfach über die Feiertage in die Karibik zu fliegen und das Kind nicht in diese Entscheidung einzubeziehen, sei nicht ideal – darauf dürfen Großeltern die Eltern auch hinweisen. Wichtig ist in jedem Fall: „Keiner hat Vorrechte! Die Besuche werden, es geht ja nicht anders, auf mehrere Tage verteilt“, rät Friehs. Es könne aber sein, dass man bei der Aufteilung erst am 28. Dezember drankommt und selbst anreisen muss. Bei den Geschenken können sich mehrere Omas und Opas zusammentun und ein großes Geschenk, etwa einen Laptop, anschaffen. Denn mehr Großeltern als andere zu haben, bedeutet meist auch: mehr Geschenke!

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