Meist schreibe ich an dieser Stelle ja über Verhaltensweisen und Einstellungen, die sich in der psychologischen Forschung als glücksförderlich erwiesen haben. Heute aber soll es um ein Problem gehen, das vor allem älteren Menschen in Sachen Glück leider oft im Weg steht: nämlich eine unerkannte Depression.
Warum das nun ein Thema speziell für Senioren sein soll, fragen Sie sich gerade? Depressionen sind natürlich psychische Erkrankungen, die Menschen in jedem Lebensalter treffen können. Traurige Beispiele hierfür gab es in den vergangenen Jahren einige, wie Sie sicher gelesen haben: unter anderem der Fußballer Robert Enke und der Musiker Avicii. Beide nahmen sich infolge schwerer depressiver Erkrankungen das Leben – mit nur 33 bzw. 28 Jahren. Der darauf folgende mediale Rummel hatte zumindest etwas Gutes: die Krankheit Depression rückte stärker ins öffentliche Bewusstsein der Gesellschaft und verlor viel von ihrem Stigma. Mehr und mehr Betroffene begaben sich auf die Suche nach Hilfe.
Für Senioren aber ist die Sache schwieriger. Nicht nur deshalb, weil viele Menschen aus der älteren Generation die preußischen Tugenden noch stark verinnerlicht haben und sich daher oft schwertun, sich wegen depressiver Verstimmungen in Behandlung zu begeben. Die Idee, man müsse sich auch bei anhaltender Schwermut einfach „nur ein bisschen zusammenreißen“, dann ginge das schon wieder, ist in den Köpfen vieler Senioren leider sehr verwurzelt. Oder schlimmer noch: Sie geben sich selbst die Schuld an ihrer Verfassung, schämen sich dafür und trauen sich nicht, zum Arzt zu gehen.
Aber selbst wenn diese Hürde übersprungen wird, übersehen viele Ärzte Depressionen gerade bei Älteren immer noch sehr häufig. Das liegt daran, dass vor allem anfangs bei ihnen oft unspezifische, eher körperliche Symptome wie zum Beispiel diffuse Schmerzen, Verdauungsprobleme oder Schlafstörungen das Krankheitsbild dominieren. Die für eine Depression eigentlich typische, schleichende negative Stimmungsveränderung wird von den Ärzten – und dem familiären Umfeld – dann einfach als Folge dieser Beschwerden abgetan, obwohl sie in Wirklichkeit ursächlich an den körperlichen Problemen beteiligt ist. Selbst Sprach- und Gedächtnisstörungen können im höheren Lebensalter Symptome einer Depression sein – doch viele Ärzte denken bei diesen natürlich sofort in erster Linie an Demenz.
Speziell leichtere oder mittelschwere Depressionen werden bei älteren Menschen daher viel zu selten diagnostiziert. Umso problematischer ist es, dass viele der heutigen Senioren in ihrer Kindheit direkt oder indirekt noch unter den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zu leiden hatten. Und unbewältigte Familientraumata sowie eigene schlimme Erlebnisse sind ein guter Nährboden für Depressionen. Und auch eine leichte Depression führt bereits zu einer deutlichen Beeinträchtigung von Gesundheit und Lebensqualität, wenn sie unbehandelt bleibt.
Ich möchte Ihnen daher heute im Sinne Ihrer Glücksbilanz sehr ans Herz legen, sich lieber früher als später Hilfe zu suchen, wenn Sie sich über längere Zeit antriebs-, freud- oder lustlos fühlen. Ein Facharzt für psychische Leiden im Alter, ein Gerontopsychiater oder ein Gerontopsychotherapeut, sind dann die richtigen Anlaufstellen. Hier wird eine gründliche Diagnostik Klarheit und dann auch Abhilfe schaffen. Denn die gute Nachricht lautet: Depressionen sind mit einer Mischung aus Medikamenten und Psychotherapie heute sehr gut behandelbar. Auch und gerade im höheren Alter – zum Glück!
Die renommierte Diplom-Psychologin und Buchautorin schreibt, warum es so wichtig ist, vor allem bei älteren Menschen auf trübe Stimmung zu achten – um zu erkennen, ob sich womöglich eine Depression dahinter verbirgt. Denn diese kann fatale Folgen haben!