Implantate: Zahnersatz mit Biss

von Redaktion

Ob durch Karies oder einen Sturz – verlieren Patienten Zähne, sollen „die Dritten“ den eigenen möglichst in nichts nachstehen. Wer es sich leisten kann, entscheidet sich oft für Implantate. Doch was leisten diese wirklich? Und: Wer verzichtet besser? Das sagt unser Experte.

VON ANDREA EPPNER

Das Gebiss, das nachts in einem Glas auf dem Nachtkästchen steht: Für viele ist das geradezu ein Sinnbild für das Altern – und alt will kaum einer sein. Viele wünschen sich daher einen Zahnersatz, der fest im Mund sitzt; so wie früher die eigenen Zähne.

Doch auch die festen Dritten brauchen Halt. Befestigt werden sie an verbliebenen Restzähnen. Sind nur wenige übrig und diese ungünstig verteilt, bleibt daher oft nur eine herausnehmbare Prothese – außer, der Patient entscheide sich für Zahnimplantate, sagt Prof. Michael Ehrenfeld, Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Kurz vor dem Tag der Zahngesundheit am Mittwoch erklärt er, was Patienten vorher wissen sollten.

Was genau sind Zahnimplantate?

„Zahnimplantate sind künstliche Zahnwurzeln“, erklärt Ehrenfeld. Sie werden im Kieferknochen befestigt. Sobald sie eingeheilt sind, kann man darauf „Suprastrukturen“ befestigen, also etwa Kronen, Brücken oder Halteelemente für Prothesen. Hierzulande sind mehr als hundert Implantatsysteme zugelassen, deren Aufbau aber ähnlich ist. Sie bestehen aus einer Titanlegierung oder Keramik.

Titan oder Keramik – was ist denn besser?

„Standard ist immer noch Titan“, sagt Ehrenfeld. Das Material werde vom Körper sehr gut vertragen. Metallische Implantate hätten zudem den großen Vorteil, dass sie später „sehr einfach mit der Suprakonstruktion verbunden werden“ könnten. Das sei bei keramischen Implantaten etwas schwieriger. Diese bestehen meist aus Zirkonoxiden, die ebenfalls gut verträglich sind. Aber: Sie sind spröder. Wie bei einer Porzellantasse, von der eher mal eine Ecke abspringt als von einem Metallbecher. Das kann bei einem Sturz passieren oder wenn man versehentlich mit voller Kraft auf die Gabel beißt.

Wie findet man das passende Implantat?

Vor jeder Implantation steht eine gute Beratung. Dazu gehört nicht nur die Frage nach dem individuell am besten geeigneten Material, sondern auch die nach anderen Arten der Versorgung. „Es gibt fast immer Alternativen“, sagt Ehrenfeld. Zumal Implantate die teuerste Methode sind, fehlende Zähne zu ersetzen. Gesetzlich versicherte Patienten bekommen diese nur in Ausnahmefällen bezahlt, etwa, wenn sich eine Zahnprothese nach einem Tumoreingriff oder aufgrund einer Fehlbildung gar nicht anders im Kiefer befestigen lässt. Für die allermeisten Patienten sind Implantate aber eine Wahlleistung, die sie selbst bezahlen müssen (siehe Kasten). Denn: Sie können funktionell ähnlich gut mit herausnehmbaren Voll- oder Teilprothesen versorgt werden. Fehlen einzelne Zähne, reicht oft auch eine Brücke. Um diese zu befestigen, müssen benachbarte, gesunde Zähne allerdings stark beschliffen werden. Mit Implantaten lässt sich das vermeiden. Sie haben zudem einen leicht knochenstabilisierenden Effekt auf den Kiefer.

Wie verlässlich und haltbar sind Implantate?

Die Erfolgsrate ist hoch: Bei 90 bis 95 Prozent der Patienten sitzen Implantate auch nach fünf Jahren noch fest im Kiefer, sagt Ehrenfeld. Vorausgesetzt, es ist genug Knochenmasse vorhanden und es liegen keine besonderen Risikofaktoren vor. Nur bedingt geeignet seien Implantate unserem Experten zufolge bei bestimmten Grunderkrankungen. Ein Problem sei etwa eine verringerte Immunabwehr des Körpers. Diese kann etwa durch einen schwer einstellbaren Diabetes auftreten. Auch bei Patienten, die wegen Osteoporose oder Metastasen mit „Bisphosphonaten“ behandelt werden, besteht eine erhöhte Infektionsgefahr. Durch eine „penible Implantat-Hygiene“ lasse sich dieses erhöhte Risiko aber deutlich senken. Auch Rauchen erhöht das Risiko eines Implantatverlustes stark.

Was kann man tun, wenn der Knochen nicht reicht?

Das kann zum Beispiel als Folge einer fortgeschrittenen Parodontitis der Fall sein. Denn dabei geht nicht nur das Zahnfleisch zurück, sondern auch der Knochen. Die Alterung führt ebenfalls zu einem Abbauprozess. Bei einem großen Knochenmangel kommt eine Transplantation von eigenem Knochenmaterial infrage – oder auch ein Ersatz mit Material von Rind oder Koralle, alternativ industriell hergestellter Knochenersatz aus Keramik.

Was erwartet Patienten bei einer Implantation?

Der Eingriff erfolgt meist unter örtlicher Betäubung. Dort, wo das Implantat eingesetzt werden soll, bohrt der Arzt ein Loch mit einem Gewinde in den Kieferknochen – das Gegenstück zum Gewinde des Implantatkörpers. Der wird dann fast wie eine Schraube eingedreht und dadurch fest verankert. „Eine wenig belastende Prozedur“, sagt Ehrenfeld. Pro Implantat müssen Patienten mit etwa 15 bis 20 Minuten rechnen.

Können danach sofort die Zahnkronen darauf?

Der Zahnersatz an einem Tag ist zwar auch mit Implantaten in besonderen Einzelfällen möglich. In aller Regel müssen Implantate aber zwei bis drei Monate in den Kieferknochen einheilen. Das heißt: Dieser muss erst richtig an das Implantat heranwachsen, ehe dieses voll belastbar ist.

Wie überbrückt man die Einheilphase?

Wer bereits einen Zahnersatz hat, kann diesen derweil weiter tragen. Denn die Implantatkörper ragen nicht in die Mundhöhle. Sie sitzen vollständig im Knochen und schließen bündig mit diesem ab – „wie ein Dübel in der Wand, der unter Putz liegt“, erklärt Ehrenfeld. Um die Implantate vor Keimen zu schützen, wird die Schleimhaut darüber vernäht und erst nach dem Einheilen wieder abgetragen, in einem kleinen chirurgischen Eingriff. Darauf wird der Implantataufbau geschraubt und ein „Zahnfleischformer“ aufgesetzt: So kann sich das Zahnfleisch fest anlagern. Nach etwa sieben bis zehn Tagen nimmt der Zahnarzt einen Abdruck. Diesen braucht der Zahntechniker, um die Kronen individuell anzupassen. Die Kronen können dann auf den Implantataufbau geschraubt oder fest darauf zementiert werden. Vorteil des Verschraubens: Ist die Krone kaputt, muss nur diese ausgetauscht werden. Das Implantat bleibt erhalten.

Was kann man tun, damit Implantate lange halten?

Patienten müssen besonders auf eine gute Mundhygiene achten. Sie sollten sich zwei, besser sogar drei Mal täglich die Zähne putzen. Denn werden bakterielle Beläge nicht entfernt, können diese zu lokalen Entzündungen führen, die auf den Knochen übergreifen können. Das kann zum Implantatverlust führen. Darum sollten Patienten ihre Implantate halbjährlich kontrollieren lassen. „So wie man auch sein Auto gelegentlich inspizieren lässt.“

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