Teuflisch gute Küche

von Redaktion

Typisch münchnerisch. Das ist nicht nur das Traditionsgeschäft „Teufelsrad“ auf der Wiesn, sondern auch das Mittagessen, das Christl Kugler (67) ihrer Mannschaft jeden Tag auftischt. Diesmal gibt’s ein Gericht, das hierzulande beinahe in Vergessenheit geraten ist: einen Münchner Reisauflauf.

VON STEPHANIE EBNER

Freitags wurde einst in Bayern traditionell fleischlos gegessen – Dampfnudeln, Buchteln oder Schmarren kamen dann auf den Tisch. Gerichte, die Kindheitserinnerungen wecken. „So handhaben wir das auch heute gerne“, sagt Christl Kugler. Auch auf der Wiesn. Der Reisauflauf, den es heute geben soll, ist das Lieblingsgericht ihres Mannes.

Während der 16 Tage Oktoberfest bekocht die Münchnerin die gesamte TeufelsradMannschaft. Kein Stress für Christl Kugler – die von sich sagt: „Ich kann eh nicht für wenig Menschen kochen. Mir ist eine große Runde lieber.“

Die Versorgung des Teufelsrad-Teams ist eher eine logistische Herausforderung: In den Wochen vor der Wiesn denkt sich die 67-Jährige den Speiseplan aus. Dann wird eingekauft. Über 600 Eier, 80 Kilogramm Mehl sowie 30 Kilogramm Zucker lagern im Wohnzimmer zwischen den Bildern. Dutzende Tomatenmarktuben, Butterschmalz zuhauf und jede Menge eingeweckte Früchte stehen auf dem Regal daneben. Die kleine Wohnung in Pasing ist in diesen Tagen das reinste Warenlager. Wie in einer Großküche. Im Keller ist dann extra für dieses Großereignis ein zweiter Kühlschrank mit Gefriertruhe angeschlossen. Unter anderem lagern dort 30 Kilogramm Steinpilze ein, die ein Bekannter gesammelt hat. „Während der Wiesn komme ich nicht zum Einkaufen“, erklärt Christl Kugler.

Die Tage in dieser Zeit seien eh schon prall gefüllt: Ihr 16-Stunden-Tag beginnt morgens um 4 Uhr. Mit Kuchenbacken. Dass es fünf bis sechs Blechkuchen pro Tag gibt – selbstverständlich. Der Erdbeerkuchen ist ein tägliches Muss, den lieben alle. Nur beim Obst- und Gemüseschnippeln hilft eine Bekannte. Bis 11 Uhr hat Christl Kugler Zeit, Kuchen und Mittagessen zuzubereiten und ins Auto zu packen. Ihr Mann Ludwig liefert die Mannschaftsverpflegung auf die Theresienwiese und fährt die geleerten Schüsseln nachts wieder heim.

Die Küche der Kuglers ist auf das Großereignis einmal im Jahr ausgerichtet: Zwei Öfen („einer allein würde nie ausreichen“), eine überdimensional große Herdplatte sowie ein Kühlschrank XXL. Die Elektrogeräte sind regelmäßig im Einsatz – unterm Jahr kocht Christl Kugler sonntags für Kinder und Enkel.

Freilich, die Wiesn ist noch mal etwas anderes: Pro Tag wollen um die 20 Mitarbeiter versorgt sein: „Das gehört bei uns eben dazu. Wir sind wie eine große Familie.“ Das Wort Wiesn-Stress kommt der 67-Jährigen nicht über die Lippen – „ich liebe diese Arbeit“. Die Wochen während des Oktoberfests rückt die Familie zusammen. Die Zeit sei sehr intensiv, weil wir uns täglich sehen. „Hinterher sind alle zwar kaputt, aber auch traurig, weil das Fest wieder vorbei ist.“

17 Jahre ist es her, dass Christl Huber mit ihren drei Geschwistern das Teufelsrad, eines der bekanntesten Münchner Traditionsgeschäfte, von der Familie Feldl geerbt hat.

Christl Kugler liebt es, Menschen um sich zu haben. Auch deshalb hat sie mit ganzem Einsatz den „Pasinger Kiosk“ bis zu ihrer Frührente vor fünf Jahren betrieben. „Wir hatten 365 Tage im Jahr auf“, sagt sie stolz. „Viel Arbeit, aber eine schöne Zeit“, resümiert sie rückblickend. Noch heute freut es sie, wenn sie Stammkunden von einst auf der Straße trifft – wenngleich ihr Enkel dann stöhnt: „Nicht schon wieder, Oma.“ Wohl wissend, dass sich das Schwätzchen einige Minuten hinziehen wird.

Zurück zur Wiesn: Schon Karl Valentin und Liesl Karlstadt haben auf der Drehscheibe versucht, Geschick zu beweisen. Und auch heute scheut so mancher prominente Gast die Herausforderung nicht. Christl Kugler, die nach dem Essen an der Kasse sitzt, freut sich über Philipp Lahm oder Elias M’ Barek genauso wie über die Kinder, die vom Teufelsrad gar nicht genug bekommen können. Denn hier ist jeder gleich: Jeder bekommt von Sohn Wiggerl, der den Rekommandeur gibt, sein Fett ab. Daran hat sich in 111 Jahren Teufelsrad nichts geändert. Tradition wird hier eben groß geschrieben – auf der Drehscheibe genauso wie in der Küche.

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