Ich schreibe diesen Text an einem grauen und verregneten Mittwochnachmittag. Eigentlich ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagen möchte – aber der große Parkplatz vor unserem Haus ist trotzdem voll belegt mit Autos.
Wie jeden Mittwoch trifft sich heute im Landgasthof nebenan der „Senioren-Sänger-Club“ aus unserem Ort. 30 bis 40 betagte bis sehr betagte Musikbegeisterte, Frauen wie Männer, finden sich dort rund ums Jahr, bei Regen, Schnee oder Sommerhitze, am frühen Nachmittag für mehrere Stunden zum gemeinsamen Singen ein.
Früher fanden diese Treffen nur einmal im Monat statt, aber irgendwann befanden „unsere“ Sänger, das sei ihnen doch zu selten. Seither wird also wöchentlich alles besungen, was das Liederbuch so hergibt: von der kleinen Kneipe in unserer Straße über den griechischen Wein bis hin zur roten Sonne von Capri. Gut so!
Dass Singen eine sehr gesunde Aktivität ist, weiß die Forschung schon lange. Singen ist gut für Körperhaltung und Kreislauf – nicht zuletzt deshalb, weil es uns zur tiefen Bauchatmung anhält und auf diese Weise die Sauerstoffsättigung im Blut erhöht. Blutdruck und Pulsschlag sinken dadurch. Und wir entspannen uns.
Sogar das Immunsystem profitiert vom Singen, wie Studien belegen konnten. Es werden vermehrt Immunglobuline gebildet, während gleichzeitig Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin (die das Immunsystem hemmen) abgebaut werden. Ob es auch daran liegt, dass Mitglieder von Chören und Gesangsgruppen nachweislich eine signifikant höhere Lebenserwartung aufweisen als Gesangsmuffel? Singen wirkt auf den Körper auf jeden Fall wie eine leichte sportliche Aktivität. Und: Es ist in jedem Alter möglich! Glücklich macht das Singen uns übrigens praktischerweise gleich mit: Schon nach einer halben Stunde schüttet der Körper Glückshormone (Endorphine) aus. Es bilden sich vermehrt Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin, die unsere Laune heben. Dazu gibt es noch das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin, das Wohlgefühl pur vermittelt. Franz von Assisi hatte also ganz Recht, als er sagte: „Schon ein ganz kleines Lied kann viel Dunkel erhellen.“
Warum Singen uns so glücklich macht, weiß man gar nicht so genau. Auf jeden Fall tut es unserem Gehirn gut, beim Lernen neuer Harmonien und Texte gefordert zu werden. Während man den Bossa Nova besingt, muss man sich schließlich konzentrieren und hat keine Zeit, sich um Alltagsdinge zu sorgen.
Sicher spielt vor allem beim Chorgesang auch die soziale Komponente eine Rolle: Wir fühlen uns einer Gruppe zugehörig und tragen unseren Teil zum Gelingen eines Gemeinschaftsprojekts bei. Als treue Leser dieser Kolumne wissen Sie ja längst, dass beides ganz wichtige Glücksfaktoren für uns Menschen sind. Dank Kai Koch, Professor für Musikpädagogik an der Katholischen Stiftungshochschule München, gibt es übrigens mittlerweile bereits ein ganzes Netzwerk „Singen im Alter“ (www.singen-im-alter.de). Dort können Senioren, nach Postleitzahlen sortiert, leicht einen geeigneten Chor bei sich in der Nähe finden.
Sollten Sie selbst sich also bisher noch keiner Sängergruppe angeschlossen haben, denken Sie doch vielleicht jetzt mal darüber nach. Ich jedenfalls kriege schon allein vom Zuhören jeden Mittwochnachmittag gute Laune!
Selbst bei so miesem Wetter wie heute lasse ich deshalb dann die Fenster schon mal offen. Um dann spätestens beim Bett im Kornfeld zugegebenermaßen auch gern lauthals mitzusingen.
Die renommierte Diplom-Psychologin und Buchautorin schreibt, warum es so wichtig ist, öfter mal gemeinsam zu singen. Es macht nicht nur Spaß, es stärkt sogar unser Immunsystem.