Wenn Viren das Herz attackieren

von Redaktion

Nach einer Erkältung oder Grippe braucht der Körper Zeit, sich zu erholen. Wer ihm dann keine Pause gönnt, muss wissen: Damit kann er seinem Herzen schaden. Die Viren können eine Entzündung des Herzmuskels auslösen. Wie man diese erkennt und was hilft, erklärt unser Experte.

VON ANDREA EPPNER

Heftige Halsschmerzen, dazu Schnupfen, vielleicht sogar eine Bronchitis mit Fieber – viele hat es diesen Herbst schon so richtig erwischt: Eine kräftige Erkältungswelle rollte durch Bayern. Manche schleppten sich trotzdem zur Arbeit – weil gerade sehr viel zu tun war oder besonders wichtige Aufgaben warteten.

„Keine gute Idee“, warnt indes Prof. Stefan Kääb, Kardiologe und Leitender Oberarzt am Klinikum Großhadern in München. „Wenn man sich krank fühlt, braucht der Körper Ruhe.“ Wer dann einfach weitermache, überlaste seinen Körper. Viren, die die Schleimhäute der Atemwege befallen, haben es dann leichter, auch das Herz anzugreifen – eine Herzmuskelentzündung droht, eine „Myokarditis“. Hier erfahren Sie, was sie dazu wissen müssen.

Welche Beschwerden bereitet eine Entzündung des Herzmuskels?

Oft geraten Betroffene bei körperlicher Belastung ungewöhnlich schnell außer Atem. In schweren Fällen können Patienten sogar schon in Ruhe in Luftnot geraten, erklärt unser Experte. Diese Symptome ähneln also denen einer Herzschwäche. Durch die Entzündung kann zudem die elektrische Steuerung des Herzens geschädigt werden. Dann kommt es zu Herzrhythmusstörungen, also Herzstolpern, Herzrasen oder kurzen Aussetzern des Herzschlags. Treten solche Herzprobleme dann auch noch in zeitlichem Zusammenhang zu einem fieberhaften Infekt auf, könnte eine Herzmuskelentzündung dahinterstecken. Das gilt übrigens nicht nur für virale Infekte der Atemwege wie etwa eine Bronchitis, eine Hals- oder Lungenentzündung. Auch eine Magen-Darm-Grippe mit Erbrechen und Durchfall kann der Auslöser sein.

Ist immer ein verschleppter Infekt die Ursache?

Nein. „Es kann ebenso sein, dass man aktuell noch Fieber hat und bereits Herzsymptome spürt“, erklärt Kääb. „Oder aber der Infekt liegt schon einige Tage oder Monate zurück.“ Häufig erzählten Patienten dann Geschichten wie diese: „Ich hatte eine Grippe und konnte mich damals nicht schonen.“ Oder: „Ich habe da noch an einem Sportwettkampf teilgenommen, weil der sehr wichtig war.“ Oder: „Ich hatte eine schwere Magen-Darm-Grippe. In der Arbeit war aber so viel zu tun, dass ich trotzdem weitergemacht habe. Ich habe auch gemerkt, wie sehr mich das mitgenommen hat. Dann habe ich mich langsam erholt, aber jetzt habe ich diese Herzsymptome.“

Wie klärt der Arzt einen solchen Verdacht ab?

Nötig ist dazu ein Elektrokardiogramm (EKG), eine Messung der Herzströme. „Veränderungen der EKG-Kurven können Hinweise auf eine Herzmuskelentzündung liefern“, erklärt Kääb. Eine Ultraschall-Untersuchung verrät, ob das ganze Herz oder Teile davon nicht mehr richtig pumpen. Manchmal wird dabei auch ein „Perikarderguss“ sichtbar: Dann hat sich Entzündungswasser im Herzbeutel gesammelt – ebenfalls ein Hinweis auf eine Entzündung des Herzmuskels.

Was verraten die Blutwerte?

Auch das Blut sollte untersucht werden – etwa auf Entzündungszeichen, aber auch auf „Myocard-Marker“: Dazu gehört die Konzentration des Enzyms „Creatin-Kinase“ (CK) und des Eiweißes „Troponin“. Erhöhte Werte zeigen an, dass einige Herzmuskelzellen abgestorben sind. Die Ursache kann eine Entzündung sein, allerdings auch ein Herzinfarkt. Dann sind weitere Untersuchungen nötig, um einen solchen auszuschließen, etwa auch ein Herzkatheter. „Es wäre fatal, einen schwelenden Infarkt zu übersehen“, sagt Kääb.

Müssen Betroffene in jedem Fall in die Klinik?

Nein, das kommt auf das Ausmaß der Entzündung an. So sind die Beschwerden bei manchen so stark, dass sich Betroffene direkt an ein Krankenhaus wenden. Bei anderen muss erst geklärt werden, ob sie auch ambulant behandelt werden können. Dazu ist es wichtig, das Ausmaß mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) des Herzens zu bestimmen, erklärt Kääb. Entzündungen, Schwellungen und Narben im Herzmuskel werden damit sichtbar. So erkennt der Kardiologe, ob und wo der Herzmuskel entzündet ist – an einer, an mehreren Stellen oder großflächig? In seltenen Fällen deutet das Entzündungsmuster darauf hin, dass gar kein Virus oder Bakterium der Auslöser ist. Dann kann eine Autoimmunerkrankung des Herzmuskels dahinter stecken. Gibt es Hinweise darauf, muss eine Gewebeprobe genommen werden, um das abzuklären. Dann sei es teils möglich, mit immunsuppressiven Therapien zu behandeln.

Kann die Entzündung auch von Zähnen ausgehen?

Tatsächlich können von einem eitrigen Zahn oder einem entzündeten Darmpolypen – das ist eine Ausstülpung der Darmschleimhaut – Bakterien ins Blut gelangen. Diese können sich an Herzklappen festsetzen und dort zu einer Entzündung der Herzklappen führen. Gefährdet sind besonders Menschen mit Veränderungen der Herzklappen und Patienten, die bereits eine Klappen-OP hinter sich haben. Der Herzmuskel ist von solchen Entzündungen primär nicht betroffen. Allerdings kann sich eine solche bakterielle Entzündung der Herzklappe auf den Herzmuskel ausdehnen. Dann bestimmt man die Art der Bakterien, um sie gezielt mit einem Antibiotikum bekämpfen zu können. „Eine klassische Herzmuskel-Entzündung wird aber fast immer von Viren ausgelöst“, sagt Kääb – gegen die wirken Antibiotika leider nicht.

Was hilft dem entzündeten Herzmuskel dann?

Um sich zu erholen, braucht das Herz vor allem Ruhe und Zeit. „Der Patient muss sich körperlich schonen“, rät unser Experte. Das bedeute nicht, dass er wochenlang im Bett liegen müsse. Aber: Er darf sich bei keiner Aktivität zu stark belasten. Er muss also darauf achten, dass er etwa beim Spazierengehen nicht außer Atem kommt. Ist die Pumpfunktion des Herzens eingeschränkt, können zusätzlich Medikamente nötig sein, die das Herz noch weiter entlasten. Dabei handelt es sich meist um Blutdruckmedikamente wie Betablocker oder ACE-Hemmer. „Der Blutdruck wird abgesenkt, sodass das Herz im Schongang arbeitet“, erklärt Kääb.

Wie lange braucht das Herz, um sich zu erholen?

Es kommt auf das Ausmaß der Entzündung an – und ob und wie sehr die Herzfunktion eingeschränkt ist. Wenn die Diagnose einer Herzmuskelentzündung gesichert ist, sollten zunächst drei Monate Schonung eingehalten werden. War die Entzündung leicht und haben sich danach alle veränderten Herzparameter wieder normalisiert, könne man wieder mit leichtem, körperlichem Training beginnen – aber mit Maß, „sodass der Kreislauf wieder in Schwung kommt, aber nicht überlastet wird“, sagt Kääb. Bei schwereren Entzündungen kann es deutlich länger dauern, bis sich das Herz erholt. Wer sich an die Empfehlungen seines Arztes hält, hat gute Chancen, dass die Entzündung vollständig ausheilt – „ohne dass etwas zurückbleibt“.

Was, wenn man sich zu früh wieder belastet?

Das ist gefährlich! So lange eine Entzündung besteht, sind die Verbindungen zwischen den Herzmuskelzellen locker. Wird der Herzmuskel trotzdem belastet, „geht das Herz sozusagen aus dem Leim“, erklärt Kääb. Die Herzmuskelzellen werden also gedehnt und die Kontakte dazwischen gehen kaputt. Die Folge: Das Herz vergrößert sich. Im schlimmsten Fall werde es später nicht mehr kleiner. Dazu können Narben im Herzen kommen. Beides schränkt die Herzfunktion dauerhaft ein. „Das gilt es in jedem Fall zu vermeiden“, warnt Kääb. Noch besser ist es natürlich, wenn es erst gar nicht zu einer Entzündung des Herzmuskels kommt. Nach einem Infekt sollte man sich darum unbedingt auskurieren. Wie lange genau? „Das ist sehr individuell“, sagt Kääb. „Man sollte auf seinen Körper hören.“ Wenn man Fieber hatte, sollte man sich danach auf jeden Fall noch 48 Stunden körperlich schonen. „Da kann schon eine Wanderung oder ein normaler Spaziergang zu viel sein.“

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