Was genau bedeutet Lebensqualität in der letzten Lebensphase?
Bausewein: Es kann sehr viel bedeuten – und hängt letztlich von den Patienten ab. Im Vordergrund steht häufig eine gute Kontrolle von belastenden Beschwerden wie Schmerzen, Übelkeit, Atemnot oder Schlaflosigkeit. Aber auch eine Unterstützung bei der Bewältigung der Krankheitsverarbeitung kann so einiges dazu beitragen. Feddersen: Und dann gibt es oft sehr persönliche Wünsche! Etwa noch einmal an einen besonderen Ort zu fahren. Oder sich von lieben Menschen zu verabschieden, vielleicht auch von einem Haustier. Oder ein Fußballspiel zu besuchen. Wir versuchen, all solche Dinge möglich zu machen.
Wer unterstützt mich und meine Angehörigen, wenn ich mit einer schweren Krankheit zuhause leben möchte?
Bausewein: Für die Begleitung zuhause stehen neben den Hausärzten und Pflegediensten auch Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, kurz SAPV, zur Verfügung. Diese Teams aus Ärzten, Pflegenden, Sozialarbeitern und Therapeuten betreuen Patienten und deren Angehörige zuhause oder im Heim. Sie kümmern sich um die Kontrolle der belastenden Symptome, auch um Fragen, wie es weitergeht oder was noch auf einen zukommt. Und letztlich ebenso um die Organisation von Hilfsmitteln. Durch eine Rund-um-die-Uhr-Rufbereitschaft haben die Betroffenen stets die Möglichkeit, Hilfe zu bekommen, wenn es nachts oder am Wochenende Probleme gibt.
Was ist der große Vorteil dabei?
Feddersen: Auf diese Weise kann oft verhindert werden, dass ein Notarzt kommen muss – oder eine Einweisung ins Krankenhaus erfolgt, die viele Menschen oft nicht mehr wollen. Ambulante Hospizdienste bieten zudem die Möglichkeit, dass ehrenamtliche Hospizbegleiter Patienten und Angehörige regelmäßig besuchen, Zeit mit ihnen verbringen – und etwas „Normalität“ in das Leben bringen.
In der Palliativmedizin wird auch viel geforscht – mit welchem konkreten Ergebnis?
Bausewein: Grundsätzlich gilt: Menschen am Lebensende haben genauso ein Recht auf bestmögliche medizinische Betreuung wie andere Menschen auch. Wir haben inzwischen viel Erfahrung in der Kontrolle von körperlichen Beschwerden der Patienten. Aber: Oft wissen wir nicht, was die beste Therapie oder das beste Vorgehen ist – oder ob wir die Wünsche der Patienten wirklich gut genug kennen. Durch Forschung können wir neue Behandlungsmethoden untersuchen, neue Versorgungsformen testen und auch mehr über die Sichtweisen und Bedürfnisse unserer Patienten und deren Angehörigen erfahren. Feddersen: Forschung in der Palliativmedizin orientiert sich immer sehr stark an den Menschen. Das ist ganz zentral. Viele nehmen daher gern an Studien teil, weil es ihnen das Gefühl gibt, etwas zurückzugeben – oder sie möchten dazu beitragen, dass die Betreuung von anderen Menschen in einer ähnlichen Situation in Zukunft noch besser werden soll.
Wo können sich denn Hausärzte oder Onkologen weiterbilden, wenn es um eine umfassende Palliativversorgung geht?
Bausewein: In der Christophorus Akademie in der Klinik für Palliativmedizin werden regelmäßig Schulungen und Kurse speziell für Hausärzte oder Onkologen angeboten. Auch Sozialarbeiter, Physiotherapeuten, Seelsorger oder Apotheker können sich hier weiterbilden. Inhaltlich geht es in den Schulungen nicht nur um die Symptomkontrolle, sondern auch um Kommunikation, um ethische Fragen, um spirituell-existenzielle Aspekte – und das Thema Trauer.
Das Gespräch führte: Barbara Nazarewska
Tag der offenen Tür
Die Lebensqualität von Patienten und deren Angehörigen verbessern und die Angst vor dem Tod nehmen – das sind Kernpunkte der Palliativmedizin. Seit mittlerweile 20 Jahren ist diese am LMU-Klinikum etabliert. Aus diesem Anlass lädt die Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin in Großhadern an diesem Samstag, 9. November, von 10 bis 14 Uhr zu einem Tag der offenen Tür ein. Auf dem Programm stehen sowohl Kurzvorträge von Ärzten, Pflegekräften und Seelsorgern als auch der Austausch mit Experten und anderen Betroffenen.