Ein Vormittag im Deutschen Herzzentrum in München. Gleich soll ein 39-jähriger Mann mit undichter Herzklappe operiert werden. Er ist in tiefer Narkose, im OP-Saal ist alles bereit: Pinzetten und Zangen liegen auf einem Tisch. Der Patient ist bis auf die blanke Brust von hellblauen Tüchern verhüllt.
Eigentlich könnte es sofort losgehen. Doch das ist keine gewöhnliche OP. Chirurg und Schwestern zeigen ihr Können heute vor großem Publikum: Rund 80 Herzchirurgen aus aller Welt sind vergangene Woche für drei Tage zur „Medtronic Mitral Academy“ ins Deutsche Herzzentrum gekommen. Sie wollen von Profis lernen, wie man eine defekte Mitralklappe – eine der vier Klappen im Herzen (siehe Artikel unten) – noch besser operiert. Sie wollen sich Tricks abschauen, etwa zur Frage: Wo setzt man das Skalpell am besten an?
„Der richtige Zugang ist ganz entscheidend“, erklärt Prof. Rüdiger Lange, Ärztlicher Direktor des Herzzentrums. Wer hier nicht sauber arbeite, tue sich beim gesamten Eingriff schwer.
Das wird Dr. Bernhard Voss, dem leitenden Oberarzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, heute nicht passieren. Er ist der Chirurg, der mit Kittel, Haube und Mundschutz im OP-Saal steht: Eine Spezial-Kamera zoomt auf die Brust des Patienten, als er das Skalpell ansetzt. Sie überträgt das Bild auf die Leinwand im Hörsaal. Dank ihrer 3-D-Brillen erleben die Mediziner den Eingriff fast so, als stünden sie selbst am Tisch.
Die Experten im Hörsaal wundern sich nicht, dass Voss gleich auf der rechten Seite des Brustkorbs schneiden will – und das, obwohl das Herz doch eher links in der Brust sitzt. Darin liegt es aber auch leicht schräg, wie Lange erklärt. Um die Mitralklappe zu erreichen, die zwischen linkem Vorhof und linker Hauptkammer sitzt, müsse man von oben ins Herz – und das wiederum geht am besten von rechts.
Voss kommentiert jeden Schritt per Headset für die Kollegen im Hörsaal, auf Englisch, damit ihn alle verstehen: Patienten wünschten heute auch „a perfect cosmetic result“, sagt er, also eine möglichst kleine, unauffällige Narbe. Bei dem jungen Patienten wird sie später nur etwa fünf Zentimeter lang sein.
Leicht wie durch weiche Butter gleitet Voss’ Skalpell jetzt durch die Haut. Sofort fließt ein wenig Blut, das eine Schwester mit einem Tupfer aufsaugt. Danach wird die schmale Öffnung mit einem OP-Instrument aufgespreizt, das einer Grillzange ähnelt. So wird aus dem Schnitt eine schlitzförmige Wunde – mehr braucht es gar nicht.
Bei Eingriffen an Herzklappen seien minimal-invasive Techniken heute Standard, sagt Lange. Er ist überzeugt: In Zukunft werde sogar der Großteil über Kathetertechniken am schlagenden Herzen erfolgen. Also ganz anders als früher, als Chirurgen dafür sogar das Brustbein spalten und den Brustkorb aufspreizen mussten.
Bei dem jungen Mann mit der undichten Herzklappe ist das nicht nötig: Voss führt die OP-Instrumente durch den schmalen Zugang in die Brust und operiert danach meist mit Blick auf einen Monitor – wie durch ein Schlüsselloch. Denn eine Minikamera überträgt die Bilder aus dem Inneren auf einen Bildschirm im OP. „Das ist keine Chirurgie, die jeder kann“, sagt Lange. Er rät, sich für minimal-invasive Eingriffe am Herzen an große Zentren zu wenden: Hier führen Ärzte solche Eingriffe sehr oft durch und haben daher viel Erfahrung.
So wie Voss, der sich inzwischen bis in den linken Vorhof des Herzens vorgearbeitet hat. Auch jetzt fließt kein Blut: Das Herz ist blutleer, steht still. Seine Arbeit übernimmt derweil die Herz-Lungen-Maschine. So kann Voss die undichte Mitralklappe in Ruhe reparieren: Er greift mit einer Pinzette nach einem der zwei glänzenden, weißen Klappensegel. Im gesunden Herz schmiegen sie sich dicht aneinander, wenn die Klappe zu ist. Bei diesem jungen Patienten bleibt dabei ein Leck – darum liegt der Mann heute auch im OP. Damit die Klappe bald wieder richtig schließt, ersetzt Voss einige Fäden, an denen die Segel aufgespannt sind und rafft diese. Damit die Klappe dauerhaft dicht bleibt, näht er noch einen Ring aus Kunststoff ein. Dreieinhalb Stunden wird der Eingriff dauern – und ein Erfolg werden: Die Klappe ist dicht, der Patient wohlauf.