„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“, wusste der Philosoph Søren Kierkegaard. Wie wahr! Mir wurde das diese Woche wieder einmal bewusst. Eine Klientin – eine Dame in der zweiten Hälfte der sechzig – beschwerte sich bitter bei mir, dass sie ihren Enkel nicht häufig genug zu Gesicht bekäme. „Drei erwachsene Söhne, und nur einer hat bisher überhaupt Nachwuchs!“, jammerte sie. „Und dann noch zwei Stunden Autofahrt entfernt. Ja, meine Nachbarin, die hat es gut! Deren Tochter wohnt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern gleich nebenan!“
Den Mechanismus, mit dem sich meine Klientin da so erfolgreich selbst unglücklich machte, beschrieb der US-Psychologe Leon Festinger in den 1950er-Jahren in seiner Theorie des sozialen Vergleichs. Indem wir uns mit anderen Menschen vergleichen, suchen wir nach Informationen über uns selbst: Wo stehe ich? Wie schneide ich im Vergleich zu anderen hinsichtlich meiner Fähigkeiten, meiner Leistungen und meiner Ressourcen ab? Bin ich besser oder schlechter als sie? Besitze ich mehr oder weniger?
Laut Festinger gibt es verschiedene Varianten des sozialen Vergleichs: den aufwärts gerichteten (mit Leuten, die einem in irgendeiner Hinsicht überlegen sind), den abwärts gerichteten (mit Leuten, die einem unterlegen sind) und den horizontalen (mit Leuten auf Augenhöhe). Klar, dass jeder dieser Vergleiche jeweils einen völlig anderen Effekt auf die eigenen Emotionen hat! Will man die eigene Stimmung heben, ist der Blick nach unten dabei natürlich immer hilfreicher als der Blick nach oben. Meine Klientin dagegen ist ein schönes Beispiel dafür, wie man sich mit einem aufwärts gerichteten Vergleich nachhaltig unzufrieden machen kann.
Nun ist es trotzdem nicht nur und ausschließlich eine schlechte Idee, sich ab und zu auch mal mit Menschen zu vergleichen, die man bewundert oder sogar beneidet. Es kann durchaus ein sinnvoller Ansporn zur persönlichen Weiterentwicklung sein, wenn wir mit dem Ergebnis eines sozialen Vergleichs nicht oder nicht mehr zufrieden sind. Die Feststellung, dass meine – sogar etwas ältere! – Freundin Ulrike dank fleißigen Trainings immer noch locker mit gestreckten Beinen ihre Zehenspitzen berühren kann, während ich mit Müh und Not bis zu meiner Wade komme, hat mich beispielsweise vor Kurzem dazu motiviert, mich endlich mal beim Yoga anzumelden. Langfristig sicher gut für mich – wenn der Muskelkater mal nachlässt.
Gefährlich für unser Glück wird es aber, wenn wir uns gewohnheitsmäßig die falschen Vergleichsobjekte aussuchen. Wenn wir immer nur Aufwärtsvergleiche anstellen und dabei all das übersehen, womit wir zufrieden, worauf wir vielleicht sogar stolz sein könnten. Oder wenn wir keine vollständigen und fairen Vergleiche ziehen – uns also zum Beispiel als Senioren in Sachen Fitness oder Aussehen mit sehr viel Jüngeren zu messen versuchen.
Sobald also der nächste aufwärts gerichtete Vergleich in Ihrem Kopf Ihr Glück trübt, überlegen Sie doch mal kurz, ob Sie wirklich das Gesamtbild – mit all seinen Kriterien und möglichen Nachteilen! – berücksichtigt haben.
Meine Klientin beispielsweise stellte nach einigem Überlegen fest, dass gar nicht so wenige ihrer gleichaltrigen Freunde noch gar keine Enkel hatten. Andere sahen aufgrund eines Familienzwists nicht mal mehr die eigenen Kinder. Und die vermeintlich so beneidenswerte Nachbarin? Hatte sich doch tatsächlich kürzlich darüber beklagt, dass sie sich von ihrer Tochter als jederzeit bequem verfügbarer Gratis-Babysitter missbraucht fühlte …
Die renommierte Diplom-Psychologin und Buchautorin schreibt, wann es nur unzufrieden macht, sich mit anderen zu vergleichen – und wann einen das wiederum sogar voranbringen kann.